Donnerstag, 30. Januar 2020

Anekdoten aus der Firma, #1

Die Firma ist gewachsen und wird jetzt ernsthaft. Außerdem sind Fachkräfte knapp. Also macht man es wie die Großen und schafft eine Abteilung HR.

Human Resources.

Resources! Seit wann ist es eigentlich normal, Menschen als Resources zu bezeichnen, quasi als Rohstoff, den man in diesem Bergwerk, genannt "Firma", abbaut? Aber das nur nebenbei.

Nun, eine Abteilung HR braucht eine Leitung, und die Leitung materialisierte sich in Form einer Leiterin; Pronomen "sie", "ihr".

Nun begab es sich, dass alle Kollegen im Kondensstrahl der DSGVO einige Dokumente zu unterzeichnen hatten, deren Inhalt zwar rechtlich nicht zu beanstanden und wirtschaftlich auch geboten waren, denen aber notwendigerweise ein kaum verhohlenes Misstrauen gegenüber der Belegschaft intrinsisch war.

Die Rücklaufquote der Dokumente lag unter 100%.

Der Vostand fragt die Personalleiterin, sorry: Head of Human Resources, was mit den fehlenden Rückläufen, und so.

Head (fast) wörtlich: "Das geht natürlich gar nicht. Die bekommen alle erst mal einen bösen Brief, ansonsten können wir sicherlich mit unserem Anwalt eine gemeinsame Lösung finden."

Der CFO ist sprachlos. Der CEO schaut hilfesuchend zum CTO.

Am schnellsten macht der Leiter der Forschungsabteilung den Mund auf; Pronomen "er", "sein".

Dass eine Firma eine Chance zum Überleben hat, kann man hoffentlich daran erkennen, dass der Leiter der Forschungsabteilung praktischer veranlagt ist als CEO, CFO, CTO und HHR zusammen:

"Also, ich würde erst mal zu allen im Büro vorbeigehen und nachfragen, vielleicht hamses nur vergessen. Ich habs glaub selbst noch nicht abgegeben."

Das muss die berühmte Verbesserung des Betriebsklimas sein, die durch Frauen an Spitzenpositionen einsetzt.

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Dienstag, 11. September 2018

Von Expats verschmäht

Deutschland ist wieder mal fast ins letzte Drittel abgerutscht.

Was ist es diesmal? Die Pisa-Ergebnisse? Durchschnittliches Privatvermögen? Euro-Vision Song Contest?

Nein, es ist das Ansehen unter ausländischen Fachkräften, sagt faz.net.

Stand Deutschland 2014 noch auf Platz 12, liegt es jetzt bei Platz 36 von 58, sagt ein Online-Netzwerk.

Am schlimmsten fanden die Fachkräfte die Sprache, die mangelnde Integration und die Kultur.

Auch fehlt ihnen der Breitbandanschluss, und das kann ich nur bestätigen. In fast allen Ländern, in denen ich öfters unterwegs bin, gibt es ordentliches mobiles Internet, nur in Deutschland nicht.

Der Artikel der FAZ lässt es bei der Statistik bewenden. Ich aber nicht.

Denn es drängen sich doch glatt ein paar Fragen auf:

Was ist denn von 2014 bis 2018 so passiert, dass Deutschland plötzlich so viel schlechter dasteht?

Es haben sich doch weder die deutsche Sprache noch die deutsche Kultur geändert in dieser kurzen Zeit?

Liegt es etwa gar nicht an der deutschen?

Und könnte es sein, dass die 70 bis 80 Milliarden Euro, für die ganz Deutschland mit Glasfaserkabeln vernetzt werden könnte, für etwas anderes draufgegangen sind (und auch in Zukunft noch werden)?

Ach, und wer kommt da eigentlich in letzter Zeit so gern nach Deutschland? Fachkräfte sind es ja offensichtlich eher nicht, sagt faz.net.

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Dienstag, 2. Februar 2016

Suffragette

Wie mein Haussender SWR2 wissen ließ, kommt diese Woche der Film „Suffragette – Taten statt Worte“ ins Kino. O-Ton: „Underdogs kämpfen unter Einsatz ihres Lebens für eine gerechte Sache, werden von mächtigen Politikern unterdrückt und siegen ganz am Ende doch.“

Es geht um die Einführung des Frauenwahlrechts in Großbritannien. Diese den Suffragetten zuzuschreiben ist allerdings ähnlich richtig, wie Günter Schabowski für den Mauerfall verantwortlich zu machen.

Denn was heute wie der Sieg des armen Kätzchens gegen den bösen Rottweiler klingt, oder zum Befreiungsschlag der Frauen gegen Tausend Jahre Patriarchat hochstilisiert wird - stimmt so nicht.

Vielmehr war das Frauenwahlrecht der Abschluss einer einhundertjährigen Entwicklung, durch die überhaupt die Mehrheit der Bevölkerung das Wahlrecht erhielt.

Bis 1832 hatten die Frauen ein Wahlrecht in Großbritannien. Echt, jetzt! Na gut, nicht alle. Eigentlich nur die, die kraft Vermögens und Herkunft (und Steuerzahlens) wählen durften. Weswegen überhaupt nur 4-5% der Briten wählen durften. Merke: Bevormundung vieler Armer durch wenige Reiche - nicht der Frauen durchs Patriarchat.

Okay, das war schlecht gelaufen. Laut „Reform Act“ von 1832 durften nur noch „männliche Personen“ wählen (außer in Schottland). Und zwar: unglaubliche 9% der Bevölkerung. Die Arbeiter blieben weiter außen vor. Bereits im selben Jahr gab es übrigens Eingaben, um das Frauenwahlrecht wiederherzustellen – obwohl es auch da nicht um die Arbeiterinnen ging.

Da verging fast kein Jahr ohne Parlamentsdebatte übers Frauenwahlrecht. Es wurde zwar jedesmal abgelehnt, aber meist nur knapp: um die 60% stimmten dagegen, und auch Queen Victoria hielt nichts davon. Allerdings ging es auf anderer Ebene vorwärts: 1869 wurde das Kommunalwahlrecht für (ledige und vermögende) Frauen eingeführt („Municipal Franchise Act“), 1894 dann das Lokalwahlrecht auch für verheiratete Frauen mit eigenem Besitz („Local Government Act“).

Übrigens kämpften die Frauen damals keinesfalls für ein allgemeines Frauenwahlrecht. So wurde 1884 im Parlament angedacht, auch weniger gebildeten und vermögenden Männern das Wahlrecht angedeihen zu lassen. Die „Mistresses of Dulwich High School“ fanden in einer Eingabe vom 3. November 1884, dann sollten doch erst die „gebildeten und intelligenten Frauen, die Haushaltsvorstände sind“, das Wahlrecht bekommen. Die Arbeiterinnen waren auch ihnen egal.

Parlamentsdebatten über das Wahlrecht, wie jedes Jahr. Im Allgemeinen waren die konservativen Parlamentarier gegen und die liberalen für das Frauenwahlrecht – man höre und staune – obwohl das doch alles Männer waren.

Auch hier lohnt sich eine nähere Betrachtung, warum einige Konservative für und Liberale gegen das Frauenwahlrecht waren: Wie immer ging es nämlich nur um das Wahlrecht für vermögende Frauen – und das hätte den Konservativen, die keine tradierten moralischen Skrupel gegen politisierte Frauen hatten, nur genützt! Es blieb beim Klassenkampf.

Warum die Suffragetten glaubten, durchs Einschlagen von Fensterscheiben zu ernstzunehmenden politischen Teilhabern zu werden, bleibt ihr Geheimnis. Fakt ist nur, dass die lautesten Frauenverbände während des Ersten Weltkriegs ihre Agitation weitgehend einstellten: Während die Männer an die Front mussten, wurden rückten Frauen in der industriellen Produktion nach und spielten so ihre Rolle im Krieg. Wer braucht da schon noch Wahlrecht (wobei die Wahlen während des Kriegs eh ausgesetzt wurden).

Neben allem anderen, was der Krieg auf den Kopf stellte, hinterließ er auch eine Männer- und Wählerlücke, denn selbst viele Kriegsheimkehrer durften aus formalen Gründen nicht wählen. Mit dem „Representation of the People Act“ von 1918 konnten dann 21,4 Millionen Menschen wählen: 13 Millionen Männer und 8,4 Millionen Frauen.

Um die Relation zu sehen: nicht nur 8,4 Millionen Frauen erhielten das Wahlrecht neu, sondern auch 5,3 Millionen Männer. Dies war ein Sieg nicht nur für Frauen, die nun über 40% der Wahlberechtigten stellten, sondern auch der Männer, von denen nun fast doppelt so viele, und nicht mehr nur die reicheren und sesshaften, wählen durften.

Das „Equal Franchise Act“. Endlich gleiches Wahlrecht für Männer und Frauen. Das bedeutete im Ergebnis: 12 Millionen wahlberechtigte Männer und 14 Millionen wahlberechtigte Frauen – Frauen stellten also mehr als die Hälfte der Wähler (54%). Nichtsdestoweniger wurde dieses Gesetz mit 387 Ja- zu 10 Nein-Stimmen angenommen. Eine Unterdrückung sieht anders aus.

In der ganzen glorreichen Geschichte des Parlaments Großbritanniens – über 800 Jahre seit der Magna Carta - gab es tatsächlich keine 30 Jahre ganz ohne Frauenwahlrecht. Dagegen gab es über 700 Jahre ohne überhaupt ein allgemeines (Männer-)Wahlrecht: Wählen war Adeligensache.

Das allgemeine Frauen- wie auch Männerwahlrecht sind das Ergebnis einer dauernden geschichtlichen Entwicklung, die um 1830 in ganz Europa einsetzte und übrigens vorrangig von Männern betrieben wurde. Das Stichwort heißt hier Vormärz, die verschiedenen Revolutionen steigerten sich bis zu ihrer Niederschlagung 1849, wobei hunderte Männer ihr Leben ließen – ein wahrhaft höherer Blutzoll als der Olympe de Gouges‘.

Im Ergebnis kamen Deutschland 1871 und Großbritanninen 1918 zu einem allgemeinen Männerwahlrecht, und das allgemeine Frauenwahlrecht wurde in Deutschland 1918 eingeführt, in Großbritannien 1928 – nur 10 Jahre nach den Männern, und auf den Schultern der Männer.


Quellen: [1], [2], [3], [4]

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Donnerstag, 15. Dezember 2011

Tappen im Dunklen

Ich finde Astronomie ungeheuer faszinierend. So viele Dinge passieren im Kosmos, die wir zwar analytisch erfassen können, die sich aber unserer gewohnten Lebenswirklichkeit vollständig entziehen.

Die Unendlichkeit des Raums ist eines davon. Alle Räume, die wir kennen, sind endlich. Der einzige etwas fassbare Unendlichkeitsbegriff kommt aus der Mathematik - und da gibt es gleich zwei davon: abzählbar unendlich und überabzählbar unendlich. Überabzählbar unendlich ist schon die Zahl der Reellen Zahlen zwischen 0 und 1: es sind so viele, dass wir beim Durchnummerieren aller Zahlen nicht mehr vom Fleck kämen. Schon das ist schwer vorzustellen. Die Ausdehnung des Kosmos ist überabzählbar unendlich in drei Dimensionen, und in der 4. (der Zeit) wohl auch.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie wir verstandesmäßig etwas akzeptieren, was alternativlos erscheint (Scherzfrage: was ist hinter der Bretterwand, die den endlichen Kosmos begrenzt?), obwohl unser Erfahrungsschatz nur genau das Gegenteil enthält.

Das Sehen in die Vergangenheit ist ein anderes. Analytisch verstehen, wir, dass Licht sehr schnell, aber nicht unendlich schnell ist und damit Licht, das uns von fernen Gegenständen erreicht, Auskunft über seinen früheren Zustand gibt und nicht seinen momentanen. Je weiter entfernt das Objekt ist, desto früher in seiner Geschichte beobachten wir es - wodurch wir jetzt schon 12 Mrd. Jahre in die Vergangenheit schauen können.

Auch das akzeptieren wir, weil unsere Logik der Theorie dahinter nichts entgegenzusetzen hat, obwohl unser Erfahrungsschatz nichts dergleichen aufzuweisen hat.

Der momentan letzte Schrei in der Astronomie ist die dunkle Materie. Man sieht sie nicht, man weiß nicht, aus welchen Teilchen sie besteht, man kennt ihre Eigenschaften nicht - bis auf die eine, dass sie nämlich auch eine Gravitation besitzt, und zwar eine stärkere als die der bekannten Materie - sonst würde man ihre Existenz wohl nie vermutet haben. Da aber die Gravitation der bekannten Materie für ihre Ordnung nicht ausreicht, muss es eine andere ("dunkle") mit stärkerer Gravitation geben, die die bekannte Materie ordnet. 90% der existierenden Materie soll dunkel sein.

Dieses Ordnen ist so gründlich, dass man die dunkle Materie als "Architekt des Universums" bezeichnet, der kosmischen Gebilden eine Struktur aufzwingt: Sterne bilden Galaxien mit ihren typischen Formen, Galaxien bilden Galaxienhaufen, und Galaxienhaufen bilden eine schaumartige Struktur mit starken Fäden und dünnen Wänden um ein "Nichts", welches durchaus gerade das organisierende Etwas sein könnte. Überrascht waren die Astronomen davon, dass die Ordnungsprinzipien dieser Strukturen schon sehr bald nach dem Urknall wirkten, weil es z.B. schon nach 3 Milliarden Jahren Galaxien gab, die wir heutige Galaxien aussehen. (Die Infos kommen vom SWR2)

Ich finde es interessant, dass Wissenschaftler sich offen bekennen, an eine dunkle Materie zu glauben, die, obwohl so kräftig, strukturgebend und unabdingbar für alles uns Umgebende und in so großer Überzahl vorhanden, weder je von jemandem gesehen noch irgendwie sonst nachgewiesen werden kann außer durch eine vermutete Anomalie zwischen den Eigenschaften der Dinge, die wir sehen, und ihrem tatsächlichen Zustand, den wir, weil wir ihn sehen, nur schwer bezweifeln können.

Über Gott steht nichts anderes in der Bibel. Er soll das kosmische Chaos zur Ordnung gebracht haben (Genesis Kap. 1), doch niemand hat ihn je gesehen (Evang. Johannes 1,18), nur durch die Schöpfung um uns herum, die eine Anomalie zum Chaos darstellt, kann man auf ihn schließen (Römerbrief 1,20). Dennoch ist der Gottesglaube unter Wissenschaftlern eher weniger akzeptiert als die dunkle Materie.

Ich bin ein wenig amüsiert darüber, dass die Astronomen an einem Gottesbeweis arbeiten, ohne es zu merken.

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Mittwoch, 14. September 2011

Die dritte Lösung für Griechenland

Ich bin ja nur Informatiker und kein Volkswirt. Vielleicht kann mich ein Volkswirt ja korrigieren. Hier ist die Theorie.

Wie jedes wirtschaftlich handelnde Subjekt benötigen Staaten Geld. Sie bekommen es aber zu verschiedenen Konditionen. Während Deutschland sein Geld für um die 3% Zinsen borgen kann, müsste Griechenland derzeit ein Vielfaches (zwischen 10 und 25%) davon auf den Tisch legen.

Dieser Unterschied heißt Risikoaufschlag. Der Gruppe von Schuldnern, die eine größeres Risiko hat, den Kredit nicht zurückzahlen zu können, nimmt man prophylaktisch mehr Zinsen ab und bezahlt damit den Verlust, den man durch tatsächliche Ausfälle hat.

Allerdings setzt das voraus, dass ein Ausfall wirklich eintreten kann, oder - wie derzeit - eine Insolvenz von Griechenland eine echte Option ist. Da dies von allen Seiten verneint wird, stellt sich die Frage: wofür dann der Risikoaufschlag? Denn wenn ein Euroland niemals pleitegehen gelassen wird, dann dürften die Kreditzinsen für sie alle nur sehr niedrig liegen.

Ich glaube, der Risikoaufschlag bei Staatsanleihen ist kein Risikoaufschlag, sondern die Ausnutzung einer Notlage. Deutschland beispielsweise hat eine funktionierende Wirtschaft, und mit ein bisschen Steuererhöhrung, Subventionsabbau und so weiter könnte Deutschland das Defizit in seinem jährlichen Haushalt realistisch ausgleichen (dass wir überhaupt ein Defizit haben, ist eine politische Entscheidung). Deutschland bräuchte also eigentlich kein fremdes Geld. Das ist ein Problem für die Kreditinstitute, denn sie verdienen an den Zinsen. Ein Deutschland, dass sich gar nichts borgt, ist für sie also viel schlechter als ein Deutschland, dass sich zu 3% Kreditzins borgt. Das sind absolut 3 Prozentpunkte, und das lohnt sich schon für die Kreditgeber.

Griechenland dagegen braucht das Geld dringend - ohne fremdes Geld kann es nicht weiterwirtschaften. Natürlich könnten die Kreditinstitute auch für Griechenland nur 3% Zinsen borgen - aber warum, wenn man auch 10% oder 20% verlangen kann? Na also. Griechenlands wirkliches Problem ist seine Erpressbarkeit.

Was kann Griechenland nun gegen die Erpressung tun? Es gibt eine Menge Möglichkeiten.

Erstens: Griechenland kann in Insolvenz gehen. Das Tafelsilber wird verkauft und an die Gläubiger verteilt, die den Verlust des Rests ihrer Einlagen durch den "Risikoaufschlag" ja schon verhergesehen und ausgeglichen haben. Griechenland fängt bei Null an, muss zwar kleine Brötchen backen, ist aber damit besser dran als jetzt gerade mit 273 000 000 000 € Minus. Die eine oder andere Bank geht dadurch Pleite, aber was Griechenland darf, darf auch eine Bank. Wer sich beim Risiko verkalkuliert, fliegt eben raus.

Von den Unkenrufen einer Instabilität aufgrund einer Insolvenz halte ich nichts. Warum sollten die Kreditgeber von etwas überrascht sein, was sie (mittels Risikoaufschlag) schon eingeplant haben? Trotzdem haben wir uns diesen Weg schon verbaut. Banken und Versicherungen, die in Griechenland investiert sind, haben nur sehr wenig eigenes Geld - das meiste echt existierende Geld stammt von Anlegern, von denen viele wiederum normale Bürger wie Sie sind. Dieser Bürger hat aber nicht die Freiheit der Banken, Risikoaufschläge gegen Risiken abzuwägen. Private Altersvorsorge (und bald private Pflegevorsorge) zwingen ihn, sein Geld bei Kreditinstituten anzulegen, die dann damit ins Casino gehen. Will eine Regierung also nicht zugeben, dass die beinahe verpflichtende private Altersvorsorge phänomenaler Unsinn ist, die nur der Banken- und Versicherungslobby nutzt, muss sie diese Institute vor der Pleite bewahren: indem sie entweder Griechenland vor der Pleite bewahrt oder die Institue selbst stützt. Das wissen die natürlich und spielen noch ungehemmter Casino.

Griechenlands zweite Möglichkeit wäre, den Banken den Stinkefinger zu zeigen und sich das Geld bei einem Wohltäter zu borgen, der Griechenlands Notlage nicht ausnutzt. Das passiert gerade durch den Rettungsschirm. Leider hat das einen Haken für den Wohltäter. Wenn Griechenland trotzdem in Insolvenz geht, verliert der Wohltäter prozentual genausoviel Geld wie die Banken (wobei ich wetten würde, dass die Lobby die Banken schadlos halten wird), aber da er den Verlust nicht durch den Risikoaufschlag abgefedert hat und auch normalerweise nicht im Kreditgeschäft tätig ist, ist der Ausfall nicht gegenfinanziert. Dadurch kommt der Wohltäter, der das Geld gar nicht hatte, sondern sich selbst bei den Banken borgen musste, selbst in eine Notlage. Und was die Banken dann tun, haben wir gerade herausbekommen.

Allerdings könnte das eine Milchmädchenrechnung der Banken sein. Denn wenn weder Griechenland noch der Wohltäter mehr zahlen können, dann haben die Banken niemand mehr, mit dem sie Geschäfte machen, und auch niemanden, der sie stützt. Der Pleite des Wohltäters folgt unweigerlich die Pleite der Banken und damit die Armut der Bürger, die dort ihre Einlagen halten. Ein übles Szenario, das man durch ein Verbot, Notlagen von Staaten auszunutzen, leicht verhindern könnte. Das sollte den Banken eigentlich auch beizubringen sein, denn sie agieren mit Geld und in einem rechtlichen Umfeld, das ihnen von ebenjenen Staaten freundlicherweise und billig zur Verfügung gestellt wird. Wes Brot sie essen, des Lied könnten sie eigentlich auch singen, oder?

Bleibt noch drittens: Griechenland könnte so wirtschaften, dass es kein Geld braucht und nicht erpressbar ist. Der Borgende ist ein Knecht des Leihenden.

Na gut, drittens war Utopie. Warum sollte man von einem Staat etwas verlangen, wozu schon seine Bürger nicht in der Lage sind?

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Mittwoch, 24. August 2011

Der Bauer und die Finanzkrise

Einem jungen Mädchen konnte ich einmal den Sinn der ganzen Zins- und Kreditbeispiele bei der Prozentrechnung in der Nachhilfe wie folgt erklären: Ein Bauer will Kartoffeln pflanzen, hat aber kein Geld dafür. Die Bank leiht ihm 1000€ zu 20% Kreditzins. Der Bauer kauft davon im Frühjahr Kartoffeln, bekommt im Herbst dreimal soviel Ernte, verkauft sie für 3000€ und zahlt der Bank 1200€ zurück. Nun hat die Bank ja auch kein Geld. Also zahlt sie dem Mädchen 2% Zinsen, damit sie ihre 1000€ Erspartes hinbringt. Schließlich hat der Bauer 1800€ fürs harte Arbeiten, die Bank 180€ fürs Investieren und das Mädchen 20€ fürs Nichtstun verdient. Alle sind zufrieden. Mutter Erde zahlt die Zeche.

Leider dauert das Geldverdienen auf diese Art viel zu lange und ist zu mühsam. Etwas zu produzieren kostet eben Zeit und Mühe. Die ungeduldigeren und gierigeren Zeitgenossen ersannen daher einen zweiten Markt, auf dem nicht echte Produkte, sondern Vertrauen, Hoffnung, Wetten und große Intransparenz den schnellen Gewinn versprechen: den Finanzmarkt. So kann der Bauer z.B. seinen Hof in eine Aktiengesellschaft überführen, d.h. er verkauft Anteile an seinem Unternehmen, was ihm das Geld derer in die Kassen spült, die hoffen, dass das Unternehmen langfristig Gewinn macht, also Dividenden abwirft.

Nun werden die Anteile zum Spekulationsobjekt auf dem Finanzmarkt: Anleger kaufen und verkaufen die Anteile unter sich, aber nicht, um in den Genuss der Dividende zu kommen (darauf muss man viel zu lange warten). Vielmehr erhöht ein steigendes Vertrauen in den Bauern die Nachfrage und daher den Preis seiner Unternehmensanteile auf dem Finanzmarkt. Geld verdienen kann man nun quasi über Nacht, indem man Anteile kauft und sie nach einer Preissteigerung wieder verkauft. Wer also korrekt auf die Vertrauensänderung anderer Anleger in den Bauern wettet, kann viel schneller Geld verdienen. Der Bauer merkt davon nichts und hat auch nichts davon; das verdiente Geld wurde nicht durch Leistung der Mutter Erde abgerungen, sondern den Anlegern mit dem höheren Vertrauen und schlechteren Wetten abgenommen.

Es geht aber noch viel mehr. Anteile kann man "leerverkaufen", d.h. zum aktuellen Preis verkaufen, ohne sie zu besitzen - mit der Verpflichtung, sie später zum dann geltenden Preis wieder zu "kaufen". Ist der niedriger, streicht man die Differenz als Gewinn ein. Wenn man genügend Geld hat, sind Leerverkäufe eine Gelddruckmaschine. Leerverkäufe spekulieren nämlich auf fallende Anteilspreise, also sinkendes Vertrauen, und wenn die anderen Anteilseigner eine solche Spekulation beobachten, fürchten sie um den Wert ihrer Anteile, werfen sie auf den Markt und setzen damit die selbsterfüllende Prophezeiung in Gang, weil das Überangebot den Preis tatsächlich sinken lässt. Das hier verdiente Geld stammt von Anlegern mit dem höheren Vertrauen in das vorgespielt sinkende Vertrauen geschickt agierender Finanzmarktbeeinflusser.

Das ist alles schon sehr abstrakt, aber es lässt sich immer noch mehr Geld verdienen. Zum Beispiel könnte eine Bank eine Wette darauf annehmen, wie erfolgreich ein Leerverkauf sein wird, und wer (gegen die Prognosen) die Wette gewinnt, der streicht Geld ein, das von den anderen Anlegern mit schlechteren Wetten auf das erwartete hohe Vertrauen wieder anderer Anleger in das scheinbar ausschlaggebende sinkende Vertrauen noch anderer Anleger stammt ( uff ... von dem Bauern haben wir schon lange nichts mehr gehört).

Wenn Sie bis hierher gelesen haben, dann sind Ihnen gewiss schon ein paar Dinge aufgefallen. Erstens: für Sie als kleiner Anleger sind Finanzmärkte eine riesige Kapitalvernichtungsmaschine. Ihr Wissen und Ihre Möglichkeiten sind zu beschränkt im Vergleich zu den wenigen Spezialisten am Finanzmarkt, die mit riesigen Geldmengen den Markt in ihrem Sinne beeinflussen, so dass Sie fast sicher zu den vielen Wettverlierern in dem Spiel gehören. Selbst der Wert gekaufter Anteile hängt nicht von Ihnen ab, sondern vom Vertrauen anderer, und wenn da mal kein Vertrauen mehr ist, haben Sie einen Totalverlust.

Nun gut, können Sie sagen, ich muss an dem Spiel ja nicht teilnehmen. Irrtum! Sie müssen es längst!

Nun kommt nämliche die zweite, viel schlimmere Erkenntnis: Natürlich braucht man Kapital als Wetteinsatz, und die großen Mitspieler brauchen viiieeel Kapital - das sie nicht haben. Also holen sie es sich. Von Ihnen. Die Banken locken Sie mit Tagesgeldzinsen, damit Sie ihnen Ihr Kapital zum Spielen zur Verfügung stellen. Wenn die Bank verliert, dann gibt es zwar einen Einlagensicherungsfonds, aber den haben Sie vorher auch schon mitfinanziert. Wenn die Bank noch mehr verliert, als sie besitzt, dann bezahlt neuerdings der Staat die Wettschulden, und der Staat, das sind, nun ja, Sie als Steuerzahler.

Und haben Sie sich mal gefragt, warum die Rentenversicherung Ihnen empfiehlt, einen Teil Ihres Einkommens den Versicherungen, Banken und Fondsmanagern anzuvertrauen? Sie nennen das private Altersvorsorge, aber eigentlich sammeln sie nur Kapital, um damit wetten zu gehen. Für die Pflegeversicherung ist dasselbe im Gespräch. Auf diese Art und Weise wird viiieeel reales Kapital eingesammelt, dass viiieeele Bauern (und wer sonst noch einen echten Mehrwert schafft) erwirtschaftet haben, und irgendwelche Leute, die Sie nicht kennen und nicht zur Verantwortung ziehen können, verwenden das Kapital als Wetteinsatz. Die Gewinner klopfen sich auf die Schulter und nehmen sich zur Belohnung ein paar Millionen des fremden Kapitals mit heim. Die weitaus größere Masse der Verlierer zuckt die Schultern (war ja nicht ihr Geld) und stürzt sich in die nächste Wette.

Das alles habe ich dem Mädchen natürlich nicht erzählt. Ich war froh, dass sie den Sinn von Geld und der Begrenzung der Geldmenge verstanden hat. Und, mal ehrlich: der Rest macht auch viel zu viel Angst, als dass man darüber viel nachdenken möchte.

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Donnerstag, 9. Juni 2011

Schluss mit Beta

Was Gadgets, Kommunikation und soziale Netze angeht, sitze ich in der Fakultät für Informatik zwangsläufig am Puls der Zeit. Da sind einmal unsere Studenten, die traditionell zu den ersten Anwendern halbwegs ausgereifter Informationstechnologien zählen. Wir in der Forschung müssen sogar versuchen, in die Zukunft zu schauen, um rechtzeitig an den Themen zu forschen, die in fünf Jahren hip sind. Glauben Sie mir: die Wirtschaft lebt von uns "early adaptors". Die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen (und die Kapitaldecken) der Firmen sind heute so klein, dass immer erst mit unausgereiften Zwischenprodukten (sogenannten Beta-Versionen) Geld verdient werden muss, um die Mittel für weitere Forschung zu haben...

Ich will Sie nicht langweilen und sage Ihnen gleich, warum mir dieser Trend missfällt:

  1. Weil Beta-Versionen zur kritiklosen Hinnahme verleiten
  2. Weil die breite Annahme von Beta-Versionen deren Fortentwicklung verhindert.

Das klingt jetzt vielleicht theoretisch, ist es aber nicht. Nehmen Sie nur mal eine Suchmaschine ihrer Wahl. Die Dinger sind der Hit. Wenn meine Studenten in den Übungen ein Problem lösen wollen, googeln sie erst mal nach den Stichworten der Aufgabenstellung und hoffen, dass es die Lösung schon im Netz gibt. So schaffen sie dann auch den Bachelor bolognese (Insiderwitz) in der vorgeschriebenen Zeit. Die Unibibliothek liegt dagegen derart verwaist da, dass ich niemand über den Lärm beschwert, der durch schon ein Jahr Sanierung entstanden ist.

Allerdings waren Suchmaschinen bei ihrer Einführung noch nicht mal in der Beta-Version angekommen. Suchmaschinen erstellen, grob gesagt, einen ständig aktualisierten Katalog aller Wörter, die in Internetdokumenten auftauchen, und ihre Intelligenz liegt darin, in diesem Katalog schnell blättern und die Suchergebnisse zur Zufriedenheit aller Seiten ordnen zu können. Das war vor 12 Jahren schon so, und das ist heute so.

Hier tauchen auch schon die Kritikpunkte auf. Die Suche mit Suchmaschinen, wie wir sie heute betreiben, ist geradezu steinzeitlich. Wissen Sie z.B., wie sie logische Operatoren (und, oder, nicht) bei Google verwenden können? Nehmen wir an, Sie wollen alle moralischen Fehltritte eines gewissen italienischen und eines gewissen französischen Politikers außerhalb ihrer Heimatländer suchen. Der Google-Ausdruck sieht so aus:
Sex ((Strauss-Kahn -Frankreich) | (Berlusconi -Italien))
. Wissen Sie, wie Sie reguläre Ausdrücke verwenden? Wenn Sie die Vornamen eines gewissen fränkischen Adligen nicht kennen, können Sie ein "ich-weiß-nicht"-Sternchen verwenden:
"Karl Theodor * zu Guttenberg"
, und sie finden alle Varianten, wobei die angegebenen Worte in genau dieser Reihenfolge auftauchen.

Nicht gewusst? Gewusst, aber nie verwendet? Sehen Sie. Die Suchmaschine verlangt von Ihnen nicht, vor der Suche nachzudenken und einen Suchauftrag zu formulieren, der genau Ihrer Frage entspricht. Sie tippen einfach

dominik sylvio sex
ein und hoffen, dass Google ihre Tippfehler korrigiert und die Millionen Webseiten so ordnet, dass das Interessante vorne steht. Viel besser wäre es doch, wenn Google Sie da nicht bevormundet, sondern wenn Sie die Frage so genau stellen könnten, dass es vielleicht nur 10 Ergebnisse gibt, die Sie selber gewichten können.

Sie sind jedoch kritiklos - die erste Suchmaschine konnte nur Worte suchen, und damals konnte man nicht mehr von ihr verlangen. Aber: Sie verlangen von ihr auch heute nicht mehr. Wie wäre es mit einer Anfrage wie: "In der Überschrift soll der Name eines Politikers und ein Verkehrsmittel vorkommen, im Text soll keine Partei mehr als drei Mal erwähnt werden, und der Artikel soll von einer deutschen Zeitung in den letzten drei Jahren verfasst worden sein". Wow! Das gibt vielleicht zwanzig Treffer, und bei zwanzig Treffern übersehen Sie garantiert keinen relevanten Artikel mehr. Sie verlangen das aber nicht von Google. Sie tippen lieber fünf Anfragen mit verschiedenen Politikern, Parteien, Autos und Verlagen, die Ihnen gerade einfallen, und halten Googles Pflicht und Schuldigkeit für getan, wenn es Ihnen 100.000 Dokumente in 0.03 Sekunden zurückliefert.

Ich finde, das ist ein Hohn!

Vor allen Dingen, weil die Technologie, die richtig ausdrucksstarke Anfragen zulässt, seit Jahren existiert. Sie heißt manchmal Semantic Web und beschreibt den Versuch, alle Inhalte im WWW zu beschreiben. Zum Beispiel würde um das Wort "Smart" in der Überschrift stehen, dass es sich dabei um ein Auto handelt, was schonmal falsche Funde nach dem englischen Wort "smart" (für "klug") ausschließt und außerdem eine Menge Folgen hat (dass es auch ein Verkehrsmittel ist, für Individualverkehr geeignet ist usw. ergibt sich nämlich automatisch).

Sie können jetzt schon riechen, warum es dazu nie kommen wird: Wer will schon die Milliarden Dokumente im Netz alle anfassen und jedem Wort eine Bedeutung und einen Kontext zuweisen, nur damit Google bessser wird? Damit sind wir beim zweiten Problem: Die frühe Lösung, das WWW einfach nach Stichworten abzusuchen, hat viel zu lange den "Leidensdruck" nach der inhaltlichen Suche aufgehoben, die ich Ihnen oben erklärt habe. Nun aber sind alle Webseiten so geschrieben, alle Suchmaschinen so programmiert und alle Benutzer so gepolt, dass eine Änderung viel zu aufwändig wäre, selbst wenn sie alles viel besser machte. Die Beta-Versionen von Webseiten, Suchmaschinen und Ihnen als Benutzer verhindern den Fortschritt!

Ich würde gern dafür plädieren, eine Sache erst mal zu Ende zu denken und dann auf die Welt zu bringen. Das stärkt unsere Kritikfähigkeit und öffnet den Weg zu dramatischen Fortschritten. Leider kann ich Ihnen auch nicht sagen, wie wir das anstellen könnten.

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Freitag, 26. November 2010

Marktwirtschaft: sie funktioniert!

Ich habe ja früher die Marktwirtschaft nur über den Zaun beobachten können, aber jetzt lebe ich selbst in einer und habe auch nie Probleme, ihre Vorzüge zu erläutern. Hier ein aktuelles Beispiel.

In einer Marktwirtschaft entscheiden sich natürlich auch der Preis und die Quellen der Energieversorgung am Markt - der Staat stellt wie immer nur die Rahmenbedingungen. Eine der Rahmenbedingungen, über die gesellschaftlicher Konsens herrscht, lautet: Wer Dreck macht, räumt ihn weg, so dass er keinen anderen stört.

Aus demselben Grund brauchte sich der Staat nicht in die zivile Nutzung der Atomkraft einzumischen, wie sie seit dem 2. Weltkrieg denkbar wurde. Er besann sich rechtzeitig auf Ludwig Erhard, bestand lediglich auf dem Dreckwegräumen und überließ den Rest dem Markt. Das ging dann so weiter:

Die Energiekonzerne mussten also zusichern, dass sie ihre abgebrannten Brennstäbe so endlagern können, dass sie niemandem gefährlich werden. Eine Nachfrage nach Endlagern enstand, und - wir haben ja Marktwirtschaft - wo eine Nachfrage, da auch ein Angebot. Findige Unternehmer gründeten Endlagerunternehmen, kauften Boden für Endlager, überzeugten die Anwohner und ließen sich die Lager vom Staat als endlagertauglich zertifizieren (auch so eine Rahmenbedingung).

Andere Unternehmer witterten das große Geschäft mit den Castortransporten aus den AKWs in die Wiederaufbereitungsanlagen und von dort in die Endlager. Sie bauten Castorbehälter, überzeugten die Anlieger der Strecken, heuerten ein paar Tausend Leute für die Security an und ließen sich die Absicherung der Transporte vom Staat zertifizieren (noch so eine Rahmenbedingung).

Nun haben wir ja Marktwirtschaft, und es trat ein ruinöser Wettbewerb zwischen den Endlagerbetreibern und den Castortransportern ein. Trotzdem gab es für die Energieversorger keine Schnäppchen. Die Kosten für die geologische Erkundung und Einrichtung der Endlager, die Zertifizierung beim Staat, und nicht zuletzt die umfangreiche Pro-Endlager- und Pro-Castortransport-Werbung inklusive der Entschädigungszahlungen an die erbosten Anwohner trieben die Kosten in astronomische Höhen.

Sowas regelt in einer Marktwirtschaft natürlich der Markt. Die Energieversorger rechneten sich also durch, was die Endlager, die Castortransporte, die Atomunfallversicherung und die PR für Atomkraft alles kosten würde, schlugen ein paar Milliarden berechtigte Gewinnerwartungen für ihr unternehmerisches Risiko drauf und kalkulierten den Atomstrompreis.

Allerdings regelt in einer Marktwirtschaft der Markt den Preis und nicht die Energieversorger. Findige Unternehmer rochen Lunte und investierten in alternative Wege zur Stromproduktion. Neben ein paar Überlegungen für das Verbrennen von fossilen Brennstoffen, die aufgrund der vom Staat verlangten Einzahlungen in Folgeschädenfonds durch CO2- und Feinstaubschäden marktwirtschaftlich untragbar wurden, machten schließlich erneuerbare Energien das Rennen. Nicht, weil sie kostenlos waren oder vom Staat gefördert worden wären, sondern weil ihre gesellschaftlichen Folgekosten, die gerechterweise jeder Unternehmer für sein Produkt von vornherein zu kalkulieren und abzuführen hat, einfach am geringsten waren.

Es war klar, dass die Bürger den billigeren Strom aus erneuerbaren Energien kaufen würden, weshalb die Energieversorger ihre Konzepte zur zivilen Nutzung der Atomkraft einstampften, die Endlager- und Castortransportunternehmen wegen der nunmehr fehlenden Nachfrage zumachten und sich erfolgversprechenderen Geschäften zuwandten.

Und so verhinderten die Marktwirtschaft und die einsichtsvollen Rahmenbedingungen der Politik die Einführung der Atomkraft in Deutschland.

Was könnte man jetzt noch gegen Marktwirtschaft sagen?

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