Kennen Sie Paul Watzlawick? Ein wichtiger Forscher des vorigen Jahrhunderts über Kommunikation, der auch für Fachfremde lesbare Bücher geschrieben hat. Sein Postulat "Man kann nicht nicht kommunizieren" ist schon fast ein Allgemeinplatz, und er reicht aus, um den Wert seiner Forschung zu demonstrieren: Das Bewusstsein über Kommunikation kann helfen, diese zu verbessern, und ihr Ziel zu erreichen.
So soll ein Hilferuf Hilfe herbeirufen. Eine Zeitung soll Fakten, Bewertungen und Meinungen transportieren.
Einen Hilferufer, der sich in einem Sonett an Sie wendet, werden Sie automatisch für einen Scherzkeks halten und sich nach der Verstehen-Sie-Spaß-Kamera umblicken. Das ist dann nicht mehr lustig, wenn Sie eines Scherzes wegen selbst Nachteile haben - sagen wir, Ihren Zug verpassen - weil jemand ihre Menschenfreundlichkeit sinnloserweise ausgenutzt hat.
Oder nehmen Sie einen Zeitungsartikel, der in jedem Wort absichtlich die Buchstaben vertauscht. Das ist cool als Satire oder wenn Sie gerade ein Kunstobjekt suchen, dass Sie sich eingerahmt ins Klo hängen können. Wenn dieser Artikel aber für Sie wichtige Informationen enthält, die Sie ohne Not nur verschleiert oder zweideutig erhalten, sind Sie zu Recht sauer über die unnütze Anstrengung, die er Ihnen abverlangt.
Was ich sagen will: Kommunikation hat in 99,9% aller Fälle den Zweck, Nachrichten möglichst fehlerfrei vom Sender zum Empfänger zu transportieren, und die Metakommunikation hat den Zweck, die korrekte Interpretation des Empfangenen zu sichern. Die willentliche Missachtung eines dieser Zwecke mag ihren Platz haben, aber diese Nische dafür ist verdammt eng.
Und nun legt die Professorin Lann Hornscheidt der taz ans Herz, von der kodifizierten deutschen Syntax abzuweichen - "[a]ls kontinuierliche Verunsicherung, Irritation und Aufforderung, über Dinge noch mal anders nachzudenken oder überhaupt neu zu denken".
Watzlawick rotiert gewiss gerade im Grab. Über die Dinge nachzudenken oder sie neu zu denken - dafür ist der Inhalt eines Artikels da, nicht seine Syntax. Das Postulat, ein Unt_erstrich im Wort sei ein ein sinnstiftender Denkanstoß, ist doppelt verwerflich: Es erlaubt dem Autor mit minimalen Mitteln, scheinbar eine Nachricht zu kodieren, die aber für den Empfänger unmöglich eindeutig zu dekodieren ist und daher beliebig und folglich sinnlos ist. Zweitens erlaubt es dem Autor, selbst hinsichtlich sowohl der Aussage als auch der Intention völlig vage zu bleiben und jedem konkreten Diskurs mit der Behauptung aus dem Weg zu gehen, das so ja gar nicht gemeint zu haben.
Das sind die Werkzeuge eines Komikers oder Satirikers, aber nicht eines Wissenschaftlers.
Oder welchen Erkenntnisgewinn hatten Sie aus dem Unterstrich in "Unt_erstrich"? Wollte der Autor auf die Lautgleichheit von "Unt" mit "und" hinweisen? Wollte der Autor die Anwesenheit der Silbe "er" herausstellen und wegen der syntaktischen Gleichheit mit dem Personalpronomen Betroffenheit über diesen versteckten Sieg des Patriarchats hinweisen? Und wenn ja, wozu das ganze, und wieso konnte der Autor das nicht auch so aufschreiben?
Der einzige Erkenntnisgewinn, den Sie aus "Unt_erstrich" haben, kommt aus der Metakommunikation: "Unt_erstrich" macht Ihnen klar, dass der Autor nicht mit effizienten Mitteln zu kommunizieren bereit ist, dass er Sie verunsichern statt erleuchten und irritieren statt bilden möchte. Sie erkennen, dass der Autor Ihren Lesefluss stören und Ihren Verstehensprozess torpedieren möchte, dass er ein Effekthascher ist ohne die Fähigkeit, Inhalte zu formulieren, die bei Ihnen einen konkreten Denkprozess in Gang setzen und lenken würden, oder, genauso schlimm, ohne den Wunsch, sich dafür in die Verantwortung ziehen zu lassen.
Diesen Autor träfe mit Recht Ihre volle Verachtung. Aber was ist von einer Wissenschaftlerin zu halten, die solche Vorschläge macht? Die Wissen verschleiert sehen möchte, indem sie es unter absolutem Informationsverlust in einen Unterstrich codiert? Und die mich, den Leser, missbraucht, in dem sie den Erkenntnisprozess an mich auslagern möchte, anstatt sich selbst die Gedanken zu machen, für die sie bezahlt wird?
Ganz abgesehen von dem dadaistischen Quatsch, durch einen Unterstrich in "Journa_listinnen" seien "sowohl Frauen direkt anwesender als auch Menschen, die sich in der Zweigeschlechtlichkeit nicht verordnen [sic!]". Wenn diese These einen Hauch von Wissenschaftlichkeit hätte, dann würde bei Ihnen direkt eine Frau anwesend sein, weil sie "Journa_listinnen" lesen statt "Journalistinnen". Schauen Sie sich mal um, ob die Frau erschienen ist ... und gleich daneben noch ein Mensch, der sich weder für sein Frau- noch für sein Mannsein entscheiden kann, denn der soll ja auch direkt anwesend sein, obwohl für ihn doch der Suffix "-innen" ganz klar in seiner Männlichkeit ausschließt (wie übrigens auch alle Männer dieser Zunft, denen derlei Zweifel zu ihrem Glück ganz fremd sind).
Oder ist der Professorin Hornscheidt hier ein Freudscher Fehler unterlaufen, und das hervorheben von "list" mit dem weiblichen Suffix "-innen" soll mich auf die weibliche Eigenart hinweisen, durch unlautere Ausnutzung von Nachteilen des Rezipienten zu einem persönlichen Vorteil zu kommen?
Nein, das war kein Fehler, das war ihre Absicht, und der scheinbare Vorteil, dass ich ihr das nicht objektiv nachweisen kann, ist auch ihr tatsächlicher Nachteil, weil sie es auch nicht leugnen kann.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Neulich (am 27. April 2015) so in den Stuttgarter Nachrichten: ein Interview mit Sabine Keitel von "Wikiwoman (sic!, aber das hat wohl die Redakteurin Sybille Neth so geschrieben) wissen mehr". Sie ist Referentin für den Bereich Frauen und Politik in der Landeszentrale für politische Bildung von Baden-Württemberg (deren Tatsachenverdrehungen ich hier thematisiert habe). Und als solcher gefällt ihr nicht, dass angeblich 89% der deutschen Wikipedia-Mitwirkenden Männer sind (oder 90% laut der Webseite der Landeszentrale).
Denn: Männer - das ist eben schlecht. "Mit den Autorinnen fehlen ... wertvolle Perspektiven." Perspektiven, oder zu deutsch Sichtweisen, in einem Lexikon? Da sind Männer natürlich noch nicht drauf gekommen.
Immerhin kennt die Referentin auch die Gründe dafür, warum weibliche Autoren in der Wikipedia mit Abwesenheit glänzen.
Okay, das sieht wie das erste wirkliche Argument aus, auch wenn nicht gleich klar ist, wer den Frauen diese Rolle zuschreibt. Was würden Sie tippen? Das Patriarchat? Dann haben Sie Ihren Einfluss maßlos überschätzt, Sie alter wütender weißer Mann. Die Frauen schreiben sich diese Rolle nämlich selbst zu. Besser als die geschätzte Referentin kann ich es nicht ausdrücken: "Bei Wikipedia geht es um das Wissen. Frauen fühlen sich davon wenig angesprochen." Danke, Frau Sabine Keitel. Für Sie kommt es auf ein entsetzend misogynistisches Frauenbild nicht an, wenn es darum geht, diskriminierende Projekte zu finanzieren. Hoffentlich hält Ihnen jemand mal die Studierendenzahlen der Unis in Baden-Württemberg vor die Augen, damit Sie sehen, ob sich nur 10% der Frauen von Wissen angezogen fühlen, oder ob das nur Ihnen so geht.
Denn die Referentin hält Wikipedia für ein "demokratisches Beteiligungsprojekt". Das ist faktisch Unsinn (stellen Sie sich vor, man dürfte Sie von politischer Mitwirkung ausschließen, weil das Ministerium sie für einen Rowdy hält - das geht bei Wikipedia, und das ist auch gut so, aber das ist keine Demokratie). Aber es ist auch theoretisch Unsinn. Wissen ist keine Mehrheitsangelegenheit, die demokratisch zu klären wäre.
Wo sieht die Referentin den Beitrag von Frauen in der Wikipedia? Es sind zwei Dinge.
Ach? Das setzte wohl voraus, dass a) es in einer Enzyklopädie Sichtweisen geben sollte, b) bisher vorrangig männliche Sichtweisen vorliegen und c) sich männliche von weiblichen Sichtweisen unterscheiden. Ich halte alle drei Behauptungen für unwahr. Wer sie für wahr hält, wünscht sich eine ideologische, keine objektive Wikipedia. Und für Ideologie gibt es genau einen Platz in der Wikipedia: im Artikel "Feminismus#Ideologie".
Zum Beispiel über die Frauen "politisch engagierter Ehepaare", wo nur der Mann erwähnt sei (als ob Eva Braun keine eigene Wikipediaseite hätte). Sprich: schreibt über Irrelevantes! Und dann? Wollen wir Frauen extra häufig mit der demotivierenden Erfahrung konfrontiert sehen, dass ihre Artikel an den Kriterien scheitern? Oder ändern die Relevanzkriterien und nehmen herablassend auch Irrelevantes in die Wikipedia auf?
Die Mitarbeit an Wikipedia ist freiwillig und wird einem in den seltensten Fällen persönlich gedankt. Etwas für Idealisten und Altruisten auf diesem Gebiet. Es ist völlig sinnlos, ein spezielles Geschlecht für vermehrte Mitarbeit gewinnen zu wollen. Wer will und kann, arbeitet von sich aus mit und hat dann sowohl die nötige dauerhafte Motiviation, als auch das nötige Wissen, und zweifelsohne die notwendige innere Distanz, um professionelle Artikel zu schreiben. Diese Qualifikationen sind übrigens geschlechtsunabhängig.
Wenn sich weit mehr Frauen als Männer dafür entscheiden, ihre Freizeit und Kraft für andere Ziele einzusetzen, als ausgerechnet für Wikipedia - dann haben sie dafür wahrscheinlich gute Gründe, und niemand ist berufen, das zu kritisieren.
Wem wirklich etwas daran liegt, dass Bildung sowohl von Männern als auch von Frauen vermittelt wird, womöglich im ausgeglichenen Proporz, der mag sich auch am Geschlechterverhältnis von Lehrern in Grund- und Mittelschulen abarbeiten. Das ist auch relevanter als die Wikipedia.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Meine Gedanken zur Meldung des BSI, es habe in einem Bot-Netz die Benutzerdaten von 16 Millionen Konten gefunden, sind nur kurz. Aber sie machen keinen Spaß.
Erstens: wo kommen 16 Millionen Benutzerkonten her? Hier gibt es 2 Möglichkeiten:
- Eine Seite im Internet hat mindestens so viele Benutzer
- Auf 16 Millionen Rechnern gibt es Keylogger, die das mitschrieben
Bei der ersten Möglichkeit lautet die Frage: welche Seite hat so viele Mitglieder? Da dürfte die Auswahl überschaubar sein. Mir fallen da ein: ein großer Buchhändler, eine Auktionsplattform und deren Bezahldienst, drei große Smartphonehersteller, die ein Benutzerkonto verlangen, damit man ihre Geräte überhaupt in Betrieb nehmen kann, ein paar Hersteller von Onlinespielen und Bildbearbeitungssoftware, und das eine oder andere Klamottenversandhaus.
Wenn jetzt rauskommt, das jemand von denen seine Daten nicht vor Hackern schützen konnte, dann ist er bankrott. Warum sollten sie meine Kreditkartendaten besser schützen als meine Login-Information? Eben. Also, wenn bei jemandem von denen eingebrochen wurde, dann knien die jetzt vor dem Portier beim BSI und flehen ihn an, das niemandem zu sagen.
Ich glaube das aber nicht. Warum sollte das BSI sich die Mühe mit der Webseite zum Überprüfen der Konten machen - nur für eine Firma, die geschlampt hat? Unwahrscheinlich.
Und das ist auch der Schlüssel zu meiner Vermutung. Hier hat eine höchstoffizielle Stelle Dreck am Stecken, und jemand dort fühlt sich verpflichtet, den Schaden zu begrenzen.
Es könnte also sein, dass irgendein Geheimdienst, oder, viel einfacher, irgendeine Strafverfolgungsbehörde mit gerichtlichem Beschluss zu einem der oben genannten Internetseitenbetreiber gegangen ist und gesagt hat: „Gefahr im Verzug! Alle Benutzerdaten hergeben!“ und dann die Daten so gespeichert hat, dass die Hacker darauf Zugriff hatten.
Während ich dieses Ausmaß an Inkompetenz durchaus für wahrscheinlich halte, stellt sich die Frage: Wieso werden diese Daten ausgerechnet in einem Bot-Netz gefunden? Also in einer dezentralisierten, sich verbreitenden Struktur? Welchen Sinn soll es haben, die Daten dort vorzuhalten?
Eine Antwort wäre, dass Admins der kompromittierten Seite natürlich misstrauisch werden müssen, wenn sich plötzlich 16 Millionen Nutzer aus demselben IP-Bereich anmelden. So ein Angriff kann ein Bot-Netz gut streuen und damit unauffällig machen. Andererseits: Bei welcher Seite wäre nicht aufgefallen, dass plötzlich 16 Millionen Benutzer sich beim Admin beschweren und sagen: „Das hab ich aber gar nicht bestellt!“?
Da sowas nicht eingetraten ist, ist das Bot-Netz offensichtlich für einen anderen Grund da: nämlich, um die Kennungen zu beschaffen, und dann nicht auffällig alle an denselben identifizierbaren Server zu schicken, sondern dezentral vorzuhalten.
Sprich, es gibt da einen auf der Hälfte der Rechner im Bundesgebiet verbreiteten Keylogger, den KEINER der Virenscanner auf dem Radar hat und der Texte mitschreibt und nach Hause verschickt. KEINER. Es gibt nur eine Art von Virus, der ich das zutraue: einen von staatlicher Stelle, für den ein paar Schlapphüte bei den großen Antivirenherstellern vorstellig geworden sind, so mit den Worten: „Schönes Unternehmen haben Sie da. Wäre doch schade, wenn Ihnen was zustieße. Hier ist die Signatur, die Sie unter gar keinen Umständen erkennen dürfen!“.
Wie ich's auch drehe und wende: Als Schuldiger kommt bei der bisherigen Großwetterlage nur einer in Frage. Und deshalb wage ich zu prophezeien, dass wir nie erfahren werden, wo es das Datenleck nun gegeben hat. Irgendeine Syrienkonferenz, das Weltklima, oder der DAX im Sinkflug werden schon dafür sorgen, dass das Thema vergessen ist, ehe unangenehme Fragen beantwortet werden müssen.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Deutschland ist Spitzenreiter. Wieder mal. In keinem anderen europäischen Land wohnen prozentual so viele Haushalte zur Miete - statt in ihrem eigenen Heim (Quelle).
Oder in anderen Worten: in Deutschland verwenden soviele Menschen ihr Einkommen darauf, die Rendite fetter Kapitalgesellschaften zu bezahlen, statt ihr eigenes Kapital zu sichern, wie sonst in keinem europäischen Land.
Das ist tragisch. Nehmen wir mal ein typisches Ehepaar: Andreas und Silke. Wenn sie 80 Jahre in einer Mietwohnung zu 900 € Monatsmiete leben, haben sie 864.000 € bezahlt, die sie nicht vererben können. Wenn sie diese Zeit in ihrem Eigenheim leben, können sie monatlich dieselbe Summe zum Erhalt des Heims ausgeben, vererben aber schließlich das Heim an ihre Kinder - einen Wert, der leicht genauso hoch sein kann.
Die angeführte Quelle zeigt außerdem, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Einkommen und der Wohnsituation. Der Zusammenhang überrascht nicht: Wer viel verdient, wohnt häufiger im eigenen Heim, als wer wenig verdient. Das sagt uns nichts Neues: Wenn Andreas und Silke arm sind, bezahlen sie viel eher die Rendite für fremdes Kapital und können für die Kinder nichts zurücklegen. Sind sie wohlhabender, lassen sie ihr Kapital akkumulieren, indem sie andere die Rendite für ihr eigenes Kapital bezahlen lassen.
Was hat das nun mit der Pflegefalle zu tun? Ganz einfach. Jahrelang hat man uns gepredigt, dass Flexibilität eine Tugend und die Berufstätigkeit von Mann und Frau eine Frage der Gleichberechtigung sei. Wer der Arbeit nicht hinterherzieht oder einen Ehepartner nicht arbeiten schickt, kann es sich entweder finanziell leisten, oder wird sozial stigmatisiert.
Und jetzt kommt's. Wenn Andreas und Silke der Arbeit wegen ihren Wohnort wechseln, entscheiden sie sich wegen der damit verbundenen Verluste natürlich viel eher für eine Mietwohnung - und bezahlen damit anderen die Rendite für fremdes Kapital. Noch viel schlimmer: Wenn Andreas und Silke beide arbeiten gehen (müssen), kann keiner ihre Kinder hüten oder ihre Eltern pflegen. Das müssen dann Einrichtungen übernehmen, die Geld kosten. Jetzt bezahlen Andreas und Silke nicht nur die Rendite fürs Kapital anderer Leute, das in ihrer Wohnung steckt, sondern auch noch fürs Kapital anderer Leute, das im Kindergarten und im Pflegeheim steckt. Raffiniert, nicht?
Leider stellt niemand diesen Kapitalfluss - der in der Regel von Arm nach Reich geht - ernsthaft in Frage. Im Gegenteil. Gegenwärtig ist eine zusätzliche private Pflegeversicherung im Gespräch. Beim Stichwort privat sollten sich Andreas und Silke die Nackenhaare aufstellen, denn das bedeutet: Hier profitiert ein anderer davon, wenn sie Angst vor einer Eventualität haben, die sie ruinieren würde. Sprich: Die private Pflegeversicherung ist ein Instrumnet, damit der Arbeitnehmer nun auch noch die Rendite für das Kapital anderer Leute zahlt, das sie in der Versicherung angelegt haben.
Wenn sich Andreas und Silke das vor Augen halten, können sie dem Einverdienerhaushalt, bei dem jemand zu Hause bleibt und Kinder oder Großeltern pflegt, viel mehr abgewinnen. Sicherlich - beides ist ein harter Job. Aber er ist gut bezahlt. Es erspart ihnen, anderen Leuten ihre Kapitalrendite bezahlen zu müssen.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Gestern in den SWR2-Nachrichten: "Ja, die Zentralbanken haben Geld gedruckt, und nun sind die Börsen in New York, Tokyo und Großbritannien in guter Stimmung. Der DAX war am Vormittag noch niedrig, aber am Nachmittag stieg er um 5%. Allerdings ist man sich nicht sicher, ob die Stimmung morgen noch gut ist."
Lieber SWR2! Ich mag Dich ja wirklich sehr. Gleich nach dem DLF. Aber was war das für eine journalistische Fehlleistung?
Genausogut könntet Ihr sagen: "Im Sonnenkindergarten wurden den ganzen Tag Süßigkeiten und Pommes satt verteilt. Die Stimmung war riesig, aber ob die bis morgen anhält?"
Lieber SWR2 und alle Öffentlich-Rechtlichen! Der DAX ist sowas von irrelevant. Der DAX ist der zusammengerechnete Kurswert von 30 Aktiengesellschaften. Davon gibt es über 7.000 in Deutschland. Und es gibt noch fast 3 Millionen anderer Unternehmen.
Was mit dem DAX passiert, hat überhaupt nichts damit zu tun, ob es der Wirtschaft gut geht oder ob die Politik oder die Zentralbank die richtige Entscheidung getroffen haben. Angelehnt an das Kindergartenbeispiel möchte ich das beinah wieder zurücknehmen und sagen: doch, hat was damit zu tun: je höher der DAX, desto nachsichtiger zu den Unternehmen, und desto nachteiliger für die Nicht-Unternehmer in Deutschland (also mehr als 96,5% der Bevölkerung) waren wohl diese Entscheidungen.
Aber zurück zur Irrelevanz des DAX. Der Kurswert dieser Aktien hängt davon ab, wie die einen Möchtegernhellseher die Entscheidungen der anderen (hoffentlich dümmeren) Möchtegernhellseher vorwegnehmen und deswegen Aktien kaufen oder verkaufen.
Ganz lustig ist, wie so eine Aktie funktioniert. Wenn man hellsieht, dass die Aktie fällt, dann verkauft man sie natürlich, was zu einem Angebotsüberhang führt, wodurch die Aktie tatsächlich fällt. Oder, wenn man hellsieht, dass die Aktie fällt, und man hat sie gar nicht, dann kauft man Wetten darauf, dass die Aktie fällt, was natürlich alle sehen und die Aktie verkaufen, so dass sie tatäsächlich fällt.
Überhaupt nicht lustig ist, wem das Geld gehört, mit dem die Aktien gekauft werden. Das gehört nämlich Ihnen - oder Ihnen. Entweder, Sie lassen Ihr Geld auf der Bank, dann nehmen es die Banker als Kapital und gehen damit Aktien kaufen.
Oder, sie kaufen einen Aktien- oder Fondssparplan, dann nehmen die Banker das Geld und gehen damit Aktien kaufen, ohne Ihnen versprechen zu müssen, dass Sie Ihr Geld je wieder sehen.
Oder, sie kaufen selber Aktien, dann sind Sie einer der anderen dummen Möchtegernhellseher, auf deren Kosten die ersteren Möchtegernhellseher Ihre Aktien kaufen und Wetten abschließen. Denn damit verdienen die Banker ihre Boni: Ihnen mit Ihrem Geld Ihr anderes Geld zu vernichten.
Lieber SWR. Wenn ihr Nachrichten bringt, dann bitte über die Auswirkungen auf den Allgemeineuropäer, und nicht über die vorhersehbare, kurzzeitige und irrelevante Reaktion eines kleinen Roulettevereins, der mit fremdem Geld spielt. Zum Beispiel: Was bedeutet das Gelddrucken eigentlich für uns 96,5% der Bevölkerung?
(Oder, der Gerechtigkeit halber: An 13 Tagen im Jahr könnt ihr gerne vom DAX berichten. Das sind dann gerade die anderen 3,5%).
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Nein, es war nicht wirklich besser, aber es war billiger; es musste billiger sein, denn die Ressourcen waren knapp. Das war aber nicht so schlimm, denn Ressourcen waren schon immer knapp.
Andere Ressourcen dagegen lassen sich leicht von dort holen, wo sich keiner wehren kann: aus der Zukunft zum Beispiel, oder aus ärmeren Ländern. Unsere Schulden sind Geld aus der Zukunft. Unser Mobiltelefon besteht aus chinesischen seltenen Erden und Arbeitskraft - zu Bedingungen, welche mit Art. 1 unseres Grundgesetzes nichts zu tun haben. Aber darüber nachzudenken wird Ihnen nicht leichtgemacht: Der Fluss von Strom, Benzin, technischen Geräten, Designerkleidung und sonstigem Kram scheint heute nur von Ihrer Kaufkraft begrenzt zu sein, von nichts sonst. Wer mehr Euro hat, kann mehr Ressourcen verbrauchen. Und tut es auch. Es scheint keine anderen Grenzen zu geben.
Das ist natürlich kurzsichtig und gemein, aber das Hier, Jetzt und Ich des Menschen war ihm schon immer näher als das Dort, Dann und Du. Große Weltreligionen schimpfen darüber und versuchen, uns für die Zeiten, Orte und Personen empfindsam zu machen, die wir nicht direkt sehen. Der Erfolg ist überschaubar.
Daher sind Paradigmenwechsel und Investitionen in neue Technologien zu begrüßen, die dem übermäßigen Ressourcenverbrauch Einhalt gebieten. "Brückentechnologien", die 50 Jahre im Einsatz sind und 300.000 Jahre lang das Leben gefährden, sind nicht akzeptabel - auch dann nicht, wenn der Verzicht auf sie höhere (oder einfach nur reale?) Kosten für uns bedeutet. Diese Kosten sind lediglich der Vorbote einer Wahrheit, die wir längst nicht nur verstanden, sondern umgesetzt haben sollten: Wir dürfen nicht alles tun, nur weil wir es können, und wir dürfen nicht alles verbrauchen, nur weil wir Zugriff darauf haben.
Und schon wieder stolpert man über die Weltreligionen, speziell die christliche, und fragt sich, was an der Theorie eines ewigen Gottesreiches so falsch ist. Langfristigkeit und Durchsetzungsfähigkeit sollten nicht sein Problem sein. Das Problem ist vielmehr: Wir, die wir auf nichts verzichten wollen, wären in diesem Reich wohl eher schlecht aufgehoben.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Soso, Wikileaks veröffentlicht den Inhalt von Depeschen mit den Lageberichten von Diplomaten im Ausland.
Ich scheine als Aspie, Informatiker, Forscher usw. vielleicht prädestiniert dafür, „freie Information“ und alles, was mit Wiki- anfängt, gut zu finden. Das wäre aber eine unreflektierte Einstellung und sie ist - wen wundert's - genau deswegen häufiger unter den Normalos zu finden als untern den Aspies. Genau wie die völlig entgegengesetzte Meinung, nämlich, dass das alles Teufelszeug sei.
Zu den Depeschen also:
Natürlich sollte man durchaus die Wahrheit sagen. Aber man muss auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Wenn ich einen Kollegen inkompetent nenne, und das kommt raus und ich kann es nicht beweisen, bin ich diskreditiert und kann eigentlich nichts anderes tun als meinen Hut nehmen. Das ist bitter, aber damit ist die Sache beendet. (Und meine Karriere auch - naja, anderes Thema).
Doch auf zwischenstaatlicher Ebene funktioniert das so nicht. Nicht umsonst gibt es die Diplomatie, die durch die Einhaltung formeller Regeln dafür sorgt, dass selbst „verfeindete“ Länder miteinander verkehren können. So können sie Interessen wahren, Übereinstimmungen finden oder größeres Übel abwenden - ohne das Gesicht zu verlieren oder von ihrer öffentlichen Position abzurücken. Natürlich weiß jeder, was der andere über ihn denkt. Wenn sich beide Seiten trotzdem auf den Minimalkompromiss des Protokolls einlassen, kann man wenigstens geordnet miteinander auskommen.
Diese nützliche Übereinkunft wird durch die Veröffentlichung der Depeschen ohne Grund verletzt. Die veröffentlichten Einschätzungen der Diplomaten sind vielleicht objektiver als jede Pressemitteilung. Zurechnen lassen muss sie sich jedoch die auftraggebende Regierung. Und die kann nicht einfach die Konsequenzen ziehen, den Hut nehmen und verschwinden (was allerdings wohl dem Diplomaten blühen wird). Wie stellt man sich denn bei Wikileaks die internationale Zusammenarbeit nach der Veröffentlichung der Depeschen vor? Wem ist gedient damit, wenn Diplomaten nicht einmal ihren Dienstherrn gegenüber ein realistisches Bild der Lage zu zeichnen wagen?
Und mal ehrlich: Glauben Sie, die Berichterstattungen der deutschen Diplomaten über ausländische Regierungen (sagen wir, z.B., den ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten) seien diplomatischer ausgefallen? Glauben Sie, dass Drittstaaten sich weniger darüber mokieren, wenn ihre Verhandlungspartner ihre eigennützigen Interessen nicht unterstützen, als die USA? Wozu auch? Solche Interessen zu verfolgen ist jedermanns gutes Recht. Der Mediamarkt stellt Sie ja auch nicht an den Internetpranger, weil Sie wiedermal das allerbilligste Gadget suchen.
Worin also besteht Wikileaks' Fehler? In der Einschätzung, warum die Depeschen vertraulich waren.
Sie waren nicht vertraulich, weil ihr Inhalt geheimes Wissen darstellt. Im Gegenteil: Wenn wir herzlich über den Wiedererkennungswert des Inhalts lachen und den Eigennutz der USA in ihnen erkennen, handelt es sich dabei wohl eher um öffentlich verfügbares (wenn auch unausgesprochenes) Wissen.
Sowas braucht man nicht über Wikileaks veröffentlichen. Das missachtet das diplomatische Protokoll und schafft Misstrauen ohne Grund.
Wirklich geheime Information zu veröffentlichen, deren Offenbarung der gebildeten Öffentlichkeit zu neuen Einsichten verhilft - das wäre etwas anderes gewesen. Und ich dachte eigentlich, das wäre der Zweck hinter Wikileaks gewesen. Stattdessen wird Boulevardklatsch veröffentlicht. Na, danke. Das ist ein Cablegate für Wikileaks, nicht für die USA.
Ach, und übrigens: Wenn jetzt von großem Schaden geredet und Wikileaks deswegen angegriffen wird: das ist DIPLOMATIE! Eigennutz! Protokoll! Gesichtwahren! Take it with a grain of salt.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Der Bundesinnenminister bezog sich in diesem Zitat auf das Internet. Der Kontext: das von ihm angestrebte Verfallsdatum für Informationen im Internet. Der Minister meinte, wenn unsere Rechtsordnung Verjährungsfristen im Gesetz und das Aufzeichnungsverbot des gesprochenen Wortes kenne, dann sollten auch Daten im Internet irgendwann automatisch verschwinden.
Und wer hat da "angeblich" gesagt, alles solle nicht mehr gelten? Niemand. Aber der Durchschnittsmensch hat Angst vor radikalen Veränderungen, und solche Andeutungen generieren eine Ablehung des Mediums an sich. Vor dem Hörer baut sich das Bild vom nerdigen Netzfetischisten, dem russischen Hacker oder der nigerianischen Diplomatenwitwe auf, denen ein völlig "rechtsfreies" Internet natürlich sehr recht wäre. Böse, böse, böse. Der Minister, der das Gegenteil will, muss also gut sein und recht haben.
Wenn das so gemeint war: Fein gemacht, wirklich.
Der Minister hat vielleicht etwas anderes gemeint, als er gesagt hat. Zwischen den Zeilen steht: Das Internet muss unsere Gesellschaft so unverändert lassen, wie sie seit 2000 Jahren besteht.
Ich glaube, das Unwohlsein des Ministers rührt von einer anderen Quelle: unsere Gesellschaft ist unvorbereitet auf die Veränderungen, die das Internet mit sich bringt.
(Kleine Anmerkung: Auch die vorauseilende und umfassende Aufzeichnung jeglicher Tätigkeiten, nur um im Nachhinein eventuell eine Straftat feststellen zu können, dürfte im Widerspruch zu allem stehen, was in den letzten 2000 Jahren gegolten hat.)
Ich hoffe wirklich nicht, dass die Allgemeinheit so denkt.
[1] SWR2, 3.7.2010: Interview der Woche: Thomas de Maizière, Bundesinnenminister (Transkript)
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
In seinem FAZ-Blog macht sich der Don Luft über den Standpunkt von Herrn Hubert Burda. Dieses Stöckchen nehme ich gern auf, denn der Text hat es tatsächlich in sich.
Nun, so lange es das von ihm geforderte "Leistungsrecht" noch nicht gibt, darf ich vielleicht zwei Zitate daraus anbringen: "Suchmaschinen ... profitieren überproportional von unseren teuer erstellten Inhalten. Doch wer die Leistung anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen. Dieses ökonomische Grundprinzip muss auch im digitalen Zeitalter mit seiner „Link-Ökonomie“ gelten." Und: "Wer also die Rechte der Kreativen im Netz wahren will, wer seine E-Commerce-Modelle davor schützen möchte, dass Suchmaschinen durch Plazierung entsprechender Suchergebnisse unserer Angebote umgehen, der ... hat den Bogen seiner Rechte deutlich weiter zu spannen. Dazu zählen: das Recht, im Netz von den Suchmaschinen nach objektiven, nachvollziehbaren Kriterien gefunden zu werden. Das Recht, an den Erlösen der Suchmaschinen ... zu partizipieren. ... Und damit verbunden die Garantie, dass Inhalte unserer Transaktionsangebote von Suchmaschinen nicht für eigene Geschäftsmodelle genutzt werden." Ach, lesen Sie den Artikel einfach selbst.
Ich hätte da eine Übersetzung der Zitate: "Da ist dieses Internet mit diesen Links, und andere haben das Prinzip der Links verstanden und verdienen jetzt Geld damit, aber ich will trotzdem was davon abhaben." Und, ganz unwidersprüchlich: "Wenn Leute etwas suchen, was ich mal online gestellt habe, dann muss Google verpflichtet sein, meine Seite ganz oben zu bringen, aber Google muss dafür natürlich bezahlen und darf auf der Seite keine andere Werbung bringen."
Genausogut könnte Herr Burda einen Anteil an dem Erlös für den Schokoladenriegel verlangen, den ich zusammen mit einem Verlagserzeugnis am Kiosk kaufe. Aber genausogut könnte Ferrero einen Anteil am Erlös des Verlagserzeugnisses verlangen, das ich zusammen mit dem Schokoriegel kaufe. Eine absurde Idee. Herr Burda glaubt offensichtlich, dass ich Google aufrufe, nur um seine Verlagsprodukte zu finden!
Natürlich profitieren Suchmaschinen von der Existenz von Inhalten - sonst gäbe es nichts zu suchen - doch ihr geschäftlicher Beitrag ist viel größer: sie indizieren beliebige Informationen im Netz, zwischen denen Burdas Beitrag vernachlässigbar ist. Wäre es nicht so und wäre Herr Burdas Logik wahr, dann könnte Google Schadensersatz für jeden nebensächlichen oder semantisch nicht aufbereiteten Artikel verlangen, den Burda ins Netz stellt, weil schlecht analysierbare flache Texte zu minderwertigen Suchergebnissen führen, die den Kunden missfallen und somit Googles Geschäft schädigen!
Das wäre genauso absurd wie Herr Burdas "Leistungsrecht": für freiwillig ins Netz gestellte Inhalte Geld von denen zu verlangen, die darauf indizieren und damit mehr Erfolg haben als er mit seinen Inhalten. Sprich, das Wasser ist kostenlos, aber nur Burda darf den Krug vom Brunnen wegtragen...
Wenn Herr Burda die neue Ökonomie des Internet verstanden hätte, würde er Google den Volltext seiner Artikel zum Indizieren zur Verfügung stellen, auf der verlinkten Seite aber nur den Aufmacher platzieren und für den Rest einen Cent-Betrag verlangen oder nur durch ein paar Klicks auf (Werbebanner auf) seinen eigenen Seiten zugänglich machen.
Oder er würde das Problem unternehmerisch lösen und sich an den Unternehmen beteiligen, die wirtschaftlich erfolgreicher sind als er - z.B. den Suchmaschinen.
Oder er könnte Google beim Risiko seines Geschäftsmodells packen - schließlich beruht es auf dem Altruismus (d.h. der freiwilligen Veröffentlichung von Inhalten) anderer - und ihm drohen, die Indizierung seiner Inhalte nicht mehr zuzulassen. Dann eben nicht, würde Google sagen und Burda-Erzeugnisse vom Index streichen. Schließlich ist Google ein freies Unternehmen und erfüllt mit der Suche keinen öffentlichen Auftrag. Burda könnte dann eine Interessengemeinschaft gleichgesinnter Verlagshäuser gründen und Google drohen, dass überhaupt keine Erzeugnisse des "Qualitätsjournalismus" mehr indiziert werden dürfen. Dann bewegt sich der Gigant vielleicht.
Oder er könnte Google verklagen, denn wenn Burda eine wirtschaftliche Leistung an Google erbrächte, wäre Google auch ohne ein obskures neues Recht zum einer adäquaten Gegenleistung verpflichtet.
All das wäre unternehmerisches Handeln. Doch Herr Burda verzichtet darauf. Vielleicht, weil er sich der Unsinnigkeit seiner Forderung im Grunde bewusst ist? Oder er möchte einfach nur, dass das Parlament ihm den Aufwand und das Risiko seiner Unternehmungen abnimmt? Oder scheitert er an der Anpassung an die Internet-Ökonomie? Zumindest letzteres drängt sich mir auf, wenn ich seinen Satz lese (frei übersetzt): "Anpassung besteht ... in der Einführung eines ... [Verbots, Information zu verlinken], verbunden mit der ... [Verpflichtung von Google, Burdas Artikel auf der ersten Ergebnisseite zu bringen]."[1]
[1] Hier das Original: "Diese Anpassung besteht insbesondere auch in der Einführung eines weiten Leistungsschutzrechtes, verbunden mit der Transparenz des Internets."> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Too big to fail.
Da standen sie heute vor dem Warenhaus, die Angestellten, und Schilder verkündeten in der x-ten Paraphrase eines unsäglichen Werbetextes, Karstadt sei Deutschland. Deshalb müsse der Staat den Mischkonzern und damit quasi sich selbst retten.
Nun ist unbestritten, dass Karstadt einige der architektonisch schönsten Warenhäuser in Deutschland benutzt(e), deren Erhalt ganz im Sinne des Art. 14 GG auch im Interesse der Allgemeinheit war. Doch mit dem Verkauf der Häuser (darunter das herrliche Haus in Görlitz) hat sich Karstadt spätestens 2007 vollständig aus dieser selbstauferlegten Verantwortung geschlichen. Was gibt es also noch zu belobigen? Gibt es im GG ein Grundrecht auf eine Versorgung mit katalogbekannten Einheitskonsumgütern in lauschigen Stadtzentrentempeln, dessen Erfüllung sich Arcandor gemeinnützig annimmt?
Ich kann die Sorgen der Mitarbeiter verstehen, aber Arcandor ist eine AG, und wenn jemand in der unternehmerischen Pflicht ist, eine AG zu retten, dann ist es nicht Deutschland, sondern die Anteilseigner. Sollen sich nicht so anstellen. Karstadt und Quelle werden selbst im Falle einer Insolvenz nicht einfach verschwinden. Jemand wird sich die Namen, die Infrastruktur, das Geschäftsmodell sichern, wird kürzen, zurechtschneiden, an die Entwicklungen im Konsumverhalten der Kunden anpassen - und dadurch auch wieder Arbeitsplätze schaffen. So geht das in einer Marktwirtschaft.
Deutschlands Glück ist, dass Arcandor nicht "too big to fail" ist. Eine blöde Wendung, die so ziemlich auch die Titanic beschreibt. Es klingt wie "zu groß, um zum Untergehen gebracht zu werden". Tatsächlich heißt es: "Zu groß, als dass der Staat sie unbeschadet untergehen lassen könnte". Wie bitte? Habe ich mich bei Ludwig Erhard nicht richtig angestellt? In welcher Marktwirtschaft war denn vorgesehen, dass ein Konzern sich auf dem Boden und mit dem Schutz des Staates so lange vergrößern und verflechten darf, bis er denselben Staat durch seine schiere Größe erpressen darf, wenn er zu platzen droht?
Die Banken haben das schon geschafft. Arcandor will ja nur ans Geld seines Kunden (da kann er drauf verzichten). Die Banken haben es aber schon (da kann er nicht mehr). Und da kommentiert sich doch einer, der es besser wissen müsste, zu seinem eigenen Artikel hinzu, es müsse mit der Bankenkonsolidierung vorangehen! Besser wissen sage ich, weil es heute keine ins Gewicht fallende Wohlstandselite gäbe, wenn es nicht früher viele kleine Gründerfamilien, sondern nur wenige Multis gegeben hätte (da würde er sich ganz schön anstellen). Wenn von 100 Banken 1% krachen geht, dann lächelt der Einlagensicherungsfonds müde und der gesellschaftliche Aufschrei ist gering. Wenn von 5 Banken eine pleitiert, gibt es aber keine 1%, sondern nur 20%. Eine fette Pistole, die sich Deutschland da auf die Brust setzen lässt.
Und die Karstadt-Mitarbeiter helfen die Pistole auch noch hochhalten, obwohl diese oft genug auch auf sie selbst gezeigt hat.
> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)