Deutschland hat endlich einen eigenen Datenskandal. Die Post hat den Parteien Rasterdaten über Leute zugänglich gemacht, die sich nicht dagegen wehren können. Damit die Parteien gezielte Hausbesuche machen können.
Endlich müssen wir nicht mehr über das ausländische Facebook schimpfen, wir haben unsere eigenen Schlitzohren, wir sind wieder wer!
Aber Scherz beiseite, denn faz.net berichtet vom Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar, er habe im Zusammenhang mit Facebook die Meinung geäußert, es gehe nicht an, so "den Wählerwillen zu manipulieren".
Was Leute heute so unter Manipulation des Wählerwillens verstehen...
Ehrlich: Käme eine Partei auf die Idee, aufgrund von Microtargeting bei mir vorzusprechen, und ich hätte die Zeit dazu - ich würde sie reinbitten und versuchen, sie in Grund und Boden zu reden. Gelingt mir's, habe ich gute Argumente. Wenn nicht, dann bekomme ich gute Argumente. Win-win.
Natürlich ist das eine Form von Manipulation, aber was ist "politische Willensbildung" (Copyright Grundgesetz) anderes als Manipulation? Manipulation ist per se ein neutraler Begriff (genau wie Sanktion). Ich kann mir grad nichts besseres vorstellen, als eine Partei aufgrund einer gelungenen Argumentation (nicht) zu wählen.
Aber zu den Wahlplakaten der Parteien halten all die "Manipulation!"-Krakeeler seltsamerweise den Mund. Dabei stellen diese meiner Meinung nach wirklich eine unzulässige Manipulation dar. Ein Foto (was ein belangloses ad-hominem-Argument darstellt), dazu ein noch belangloserer Text - das ist wahrlich keine sinnvolle Grundlage für eine Wahlentscheidung.
Der Wähler muss aber auch ungefragt in der Vorwahlzeit hundertfach an solcher Werbung vorbei, nimmt sie im Unterbewusstsein wahr, und leider sind wir geneigt, eine Unwahrheit nach hundertfacher Wiederholung nicht mehr so ganz in Frage zu stellen. Möchte man Wahlmanipulation verbieten, müssten zuerst die Plakate verschwinden.
Ich fühle mich von Herrn Caspar aber auch persönlich auf den Schlips getreten.
Denn er wirft mir - dem Souverän, der die Geschicke des Landes durch Wahlen bestimmt - vor, ich könne mir keine eigene Meinung bilden oder sie wenigstens nicht kundtun, sondern hinge wie eine Puppe an den Stricken eines Manipulators, während ich mein Kreuzchen mache. Diese Einschätzung halte ich für ehrabschneidend.
Andererseits wäre es möglich, dass Herr Caspar Recht hat und wir wirklich alle manipuliert werden, eine Partei zu wählen, die wir eigentlich nicht wollen. Womöglich bringt ihn die hohe Prozentzahl an Wählerstimmen für Parteien, die man rational nicht erklären kann, zu dieser Annahme. Dann aber stellt sich aber doch die Systemfrage, ob man demokratische Wahlen sinnvollerweise überhaupt veranstalten sollte.
Nun, es gibt genügend Leute, die sich parallel zum Medienkonsum permanent fragen, wozu sie denn jetzt schon wieder beeinflusst werden sollen. Es hat etwas gedauert, aber wir sind jetzt soweit, Herr Caspar, Ihre Sorgen sind unbegründet, spätestens seit der Ukrainekrise traut hier kaum noch jemand einem öffentlichen Meinungsbildner über den Weg.
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Ein Prinzip ist das, was man auch dann beibehält, wenn es weh tut.
"Wer, wenn er etwas zu seinem Schaden geschworen hat, es dennoch hält" (Bibel: Psalm 15,4), auf den kann man sich verlassen.
Die Grundrechte zum Beispiel sind dazu da, Sie vor dem Staat zu schützen, gerade wenn es ihm wehtut. Ob die Grundrechte was taugen, wissen Sie erst, wenn der Staat versucht ist, Ihre Gesundheit zu ruinieren, Ihre Familie zu zerstören, sich Ihren Besitz anzueignen, Ihnen die Rede zu verbieten oder Sie beim Forschen zu behindern.
Dass die Grundrechte im Grundgesetz stehen, zeigt zumindest, dass man dem Staat in diesen Bereichen allerlei Schandtaten zutraut.
Virtue Signalling ist das Gegenteil von Prinzipientreue. Virtue Signalling (Herauskehren der Tugendhaftigkeit, Gutmenschen-Bekundung) wird in einem über alle Zweifel erhabenen Wörterbuch als ... show off what a virtuous person you are, instead of actually trying to fix the problem definiert.
Beispiel der aktuellen Tagespresse: Seinen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit leisten, indem der Text der Nationalhymne verändert wird (siehe auch).
Dieser Vorschlag löst kein Problem. Wer immer glaubt, dass Sprechakte die Realität setzen, der darf mal "Ich bin Milliardär" sagen und schauen, ob er dann in der Forbes-Liste landet, oder besser noch "Ich lüge gerade" sagen und gucken, was durch den logischen Widerspruch passiert.
Wer Frauen aus Prinzip helfen möchte, tut das auch, wenn es ihm weh tut: wenn man damit Freunde vergrault oder sich den ökonomischen Ast absägt, auf dem man sitzt.
Man könnte zum Beispiel Waffenlieferungen an alle Länder verbieten, in denen Frauen durch Steinigung hingerichtet werden.
Oder?
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Annegret Kramp-Karrenbauer hält 31% Frauenanteil im Bundestag zu gering und möchte eine Frauenquote fürs Parlament. Sie ist von der CDU, und die CDU als Partei hatte 2016 einen Frauenanteil von 26%. Wie will sie ohne gravierendste Ungleichbehandlung von Kandidaten nach Geschlecht und massivste Einschränkung der Freiheit des Wählerwillens eine höhere Frauenquote im Parlament erreichen, der ihre eigene Partei um 5 Prozentpunkte hinterherhinkt? Keine Ahnung, aber Hauptsache, mal was gesagt.
Die Essener "Tafel" (deren Existenz an sich schon ein Paradebeispiel für Politikerversagen ist) kämpft gegen Ungleichbehandlung ihrer Kunden und will den Ausländeranteil auf 75% beschränken. Kanzlerin Merkel äußert erst ihre Meinung: "nicht gut" und will später nach Essen fahren, um sich eine solche zu bilden. Aber Hauptsache, erst mal was gesagt.
Staatssekretärin Chebli twittert dazu "eiskalt ... Migranten ausgeschlossen", wenn deren Anteil über 75% liegt. Völlig daneben, aber Hauptsache, erst mal was gesagt.
Frau Hayali deutet in einem fehlgeschlagenen Vergleich an, die Tafel ließe die nicht aufgenommenen Migranten alle störben. Das wäre in der Tat ein Skandal, aber nicht für die Tafel. Aber Hauptsache, was gesagt.
Frau Alice Schwarzer wiederholt zum x-ten Male, sexuelle Belästigungen seien "ein Mittel der Macht", um sich gleich darauf zu widersprechen, weil eine weibliche Chefin bei all ihrer Macht einen männlichen Untergebenen natürlich keinesfalls durch sexuelle Anmache einschüchtern oder erniedrigen könne. Das ist falsch, aber Frau Schwarzer muss ein neues Buch verkaufen, also: Hauptsache, mal was gesagt.
Mann o mann, die Lektüre von faz.net, woher all diese Informationen stammen, war eine harte Kost heute.
So viel Gerede im Widerspruch gegen die Fakten.
Das müssen wohl die berühmten kommunikativen Fähigkeiten sein, in denen die Frauen den Männern so haushoch überlegen sind.
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