... nämlich die Lohnlücke zwischen Ost- und Westdeutschland.
Im Osten verdiente man 2017 durchschnittlich 2600 Euro im Monat, im Westen 3339 Euro.
Noch schlimmer auf Landkreisebene: im am schlechtesten bezahlten Landkreis (Görlitz, natürlich im Osten) verdiente man 2183 Euro, während man im am besten bezahlten Landkreis (Ingolstadt, natürlich im Westen) 4635 Euro verdiente.
Immerhin eine Lohnlücke von 53 (!!!) Prozent.
Die Ursachen sind wie immer gemischt: vorrangig strukturell (gibt es florierende Unternehmen oder nicht), aber auch individuell (Qualifikation).
Bei dem Wort "strukturell" müssten sich Ihnen eigentlich die Nackenhaare aufstellen. Denn das bedeutet nichts anderes als eine Ungleichbehandlung der Beschäftigten einzig aufgrund ihres Lebensorts.
Wo bleibt der Aufschrei?
Wo bleibt die Quote für gut verdienende Unternehmen im Osten?
Wo bleiben die Gleichstellungsbeauftragten, die verbieten, ein Unternehmen im Westen zu gründen, solange nicht gleich viele Unternehmen im Osten gegründet worden sind?
Ich meine das durchaus ernst.
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Viel Polemik um das Wort "Leitkultur" mag dem Grundwort "Kultur" geschuldet sein, wobei der eine an langweilige Konzerte und der andere an Petrischalen denkt. Lassen wir das außen vor.
Beispiel: Es sei Konsens, dass Vergewaltigung falsch ist. Wenn den alle unterstützen, ist es unbeachtlich, ob es einen Vergewaltigungsparagraphen im Strafrecht gibt. Es findet keine Vergewaltigung statt: nicht weil sie unbekannt ist, sondern weil sie verpönt ist.
Wenn ein neu zugestoßenes Individuum den Konsens nicht mitträgt oder jemand diesen Konsens aufkündigt, muss der Rest der Gruppe entscheiden, ob er den Konsens aufrechterhalten will. Wenn ja, wird gegen das Individuum vorgegangen, um den Konsens wiederherzustellen: entweder durch Ausschluss des Individuums aus der Gruppe (Haft, Todesstrafe), oder durch Erziehung durch Bestrafung des Delinquenten (z.B. Geldstrafe), der daraufhin dem Konsens unterordnet.
In einer Zwangsgruppe ist es also der Durchsetzungsfähige (z.B. die demokratische Mehrheit, die an Gesetze gebundene Regierung, ein Diktator), welcher den nur von ihm sicher getragenen Konsens zum Zwang erklärt. Der Rest der Gruppe bildet eine Parallelgruppe.
Die Konsensgruppe muss sich nun entscheiden, ob der gemeinsame Wert auch der Parallelgruppe aufgezwungen wird, oder ob er nur für die Konsensgruppe und für die Situationen gilt, in denen Konsens- und Parallelgruppe aufeinandertreffen.
Einer Gruppe kann natürlich kein Wert aufgezwungen werden, den sie per Definition nicht teilt. Es bleibt nur, sie ihn ihrem Handeln einzuschränken, damit sie den Konsens gar nicht brechen können, oder lückenlos zu überwachen, um das Individuum am Bruch zu hindern oder nachher bestrafen zu können. Positionieren sich Gruppenmitglieder nicht klar für oder gegen den Konsens, müssen sie ebenfalls eingeschränkt oder überwacht werden.
Darunter leidet auch die Konsensgruppe, denn da Einschränkung und Überwachung in ihrem Interesse sind, trägt sie auch den Großteil der entstehenden Kosten, obwohl die nur aufgrund der bloßen Existenz der sich dem Konsens widersetzenden Teilgruppe entstehen.
Die Konsensgruppe wird auch an den Berührungspunkten mit der Parallelgruppe schlechtergestellt. Beschränkungen und Überwachung müssen an den Berührungspunkten für beide Gruppen gelten. Es ist aber unmöglich, jedes Detail des Aufeinandertreffens zu regeln und kontrollieren. Daher kann zwar die Parallelgruppe vorhersehen, wie die Konsensgruppe sich in ungeregelten Situationen verhalten wird - für die Konsensgruppe bleibt das Verhalten von Individuen der Parallelgruppe dagegen unvorhersehbar, was bei ihr zu Verunsicherung führt.
Und hier ein Korollar aus den ersten beiden Ergebnissen: Heterogenität in Zwangsgruppen erschwert demokratische Prozesse. In je weniger Fragen ein Grundkonsens innerhalb der Bevölkerung herrscht, desto mehr Gesetze und Kontrollen müssen erlassen werden, die einerseits für alle mehr Einschränkungen bedeuten, aufgrund schwieriger Mehrheitsbildung aber zwangsläufig Kompromisse enthalten, wodurch die Konsensgruppe nur einen geringen Sicherheitsvorteil hat. Heterogene Zwangsgruppen existieren daher erfolgreich nur als Diktatur (oder verwandeln sich in eine). Das Musterbeispiel dafür ist das heutige Russland, welches ganz offiziell ein Vielvölkerstaat ist. Die Möglichkeiten zur Konsensfindung sind dort so gering, dass das Land erst nach dem faktischen Umbau von einer Demokratie genannten Anarchie in eine Demokratie genannte Diktatur wieder innere Sicherheit und Stabilität fand.
Kommen wir nun zum Bestimmungswort "Leit-".
Ich halte das für Deutschland bis vor kurzem für gegeben. Nehmen wir stellvertretend die Konsense, dass man eher nicht lügt und dass man unbeherrschte Emotionen vermeidet. Wir können uns ein ausgedehntes Sozialsystem leisten, weil die meisten nicht mit mehreren ausgedachten Identitäten dieselben Leistungen mehrfach abrufen. Wir wollen keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Autobahnen und brauchen keine, weil wir uns dort nicht gegenseitig "erziehen", nicht mit Schrottlauben fahren und nicht rechts überholen.
Das war nicht immer Konsens, weshalb ich zur wichtigsten Einschränkung der "Leit"-funktion kommen muss: sie ist nicht stabil. Der Landfriede hat die Selbstjustiz in Deutschland erst nach vielen Anläufen, dafür recht nachhaltig ausgemerzt. Judenverachtung war in Deutschland jahrhundertelang bis in die Vierziger des vorigen Jahrhunders en vogue, und von 1871 bis 1918 konnten die Deutschen vor Kriegsbegeisterung kaum laufen, was sich im Eindruck des Dritten Reichs und seines Endes grundlegend geändert hat (und sich gerade wieder ändert, wie vermehrt auftauchende militärlüsterne Leitartikel in dem deutschen Medien beweisen). Das ist schon eine Art Meta-Konsens, einen Konsens aufzugeben, wenn man merkt, dass er nicht mehr tragbar ist.
Mit diesem theoretischen Unterbau fällt es nicht schwer, ein wenig in Deutschlands Zukunft zu schauen. Die Annahme ist, dass immer mehr Personen nach Deutschland strömen, und sie in einer Menge Fragen den Konsens unter der autochthonen Bevölkerung nicht mittragen. Es bleiben drei große Szenarien:
Deutschland hat jedeoch weder geografisch noch weltanschaulich ausreichend klare Gruppengrenzen vorzuweisen, als dass eine Teilung zu erwarten wäre. Möglich ist die Entstehung von Keimzellen, also Gemeinden und Kreisen, in denen sich die Parallelgruppen (extrem rechte, extrem linke, extrem religiöse) zu einer eigenen Zwangsgruppe mit abweichender Leitkultur zusammentum. Berlin und das Ruhrgebiet sind da mögliche Kandidaten.
Sowas lässt sich mit Demokratie und Gleichberechtigung schlecht vereinbaren und ist der Ansatz der Diktaturen. Es gehört auch eine gehörige Portion Selbstbewusstsein dazu, dich ich Deutschland derzeit nicht zutraue.
Das muss man nicht bedauern; die allermeisten Länder sind Nicht-Deutschland und existieren dennoch; es gibt keine historische Notwendigkeit für die Existenz der heutigen deutschen Wertegemeinschaft, die ich im übrigen auch schon für die dritte (nach der Nachkriegsgemeinschaft und der 68-er Gemeinschaft) halte. Ich halte diese Zukunft für die wahrscheinlichste für Deutschland, denn sie verlangt von den Individuen am wenigsten Anstrengung und Überzeugung, und sie entfaltet sich bereits vor unseren Augen.
Der Unterschied ist nur, dass die bisherigen Veränderungen (unbeschadet äußerlicher Anlässe) von innen heraus stattfanden und damit immer auch eine Rückbesinnung auf frühere Werte zuließen. Das ist bei einem Ersatz durch außen nicht zu erwarten.
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Inmitten der Koalitionskrise, in der die Kanzlerin mithilfe eines europäischen Gipfels eine Richtlinie sucht, um sie dann kompetent durchzusetzen... aber ich schweife schon ab. Die Tagesschau veröffentlicht einen Kommentar, in dem Malte Pieper die Kanzlerin auffordert: "Räumen Sie das Kanzleramt".
(Übrigens, ich bin Privatblogger ohne Werbeeinnahmen, ich darf sowas zitieren).
Dieser Kommentar wundert mich überhaupt nicht. Er passt wunderbar in die Presselandschaft. Die Dankesbekundungen der Kommentatoren unter dem Kommentar teile ich dagegen nicht.
Darum:
Rein rechtlich: Die Kanzlerin kann nach dem GG einem konstruktiven Misstrauensvotum unterliegen, die Vertrauensfrage stellen oder einfach um ihre Entlassung bitten. Im ersten Fall muss der Bundestag einen Nachfolgekanzler wählen, in den letzten beiden darf er es tun. Nur wenn der der Bundestag keinen Nachfolgekanzler wählt, wird das Parlament aufgelöst und neugewählt.
Die Mehrheit des Bundestags trägt jedoch die Linie der Kanzlerin offensichtlich, sonst gäbe es das Misstrauensvotum schon längst. Selbst ein vorgeschlagener Nachfolgekanzler würde also keinen radikal anderen Politikstil vertreten. Und eine Neuwahl wird nicht stattfinden, sowas fürchten die Parteien wie der Teufel das Weihwasser (siehe Fastgleichstand der SPD mit AfD, und dass selbst eine große Koalition heutzutage eine Minderheit wäre).
Im Prinzip ist der Kommentar nichts also anderes als der Ruf nach einer zeitweiligen Handlungsunfähigkeit der deutschen Regierung, mit dem verdeckten Hintergedanken, dass das Wahlvolk in der Folge trotzdem nicht zum Zug kommen wird.
Und das gleich auf zwei Arten. Erstens haben die Deutschen diese Konstellation sehenden Auges nach 2 Jahren Flüchtlingskrise so gewählt.
Viel beschämender ist aber, womit Malte Pieper seine Forderung begründet: Die Kanzlerin genieße nicht mehr das Vertrauen der anderen europäischen Staaten, die Interessen aller [Europäer] im Blick zu haben.
Nun, wer glaubt, dass Europa an Merkel scheitert, muss sich vorwerfen lassen, entweder größenwahnsinnig zu sein oder ein tiefes Misstrauen in die EU zu hegen, die ohne Deutschland wohl nicht zu genesen vermag.
Zuletzt: Keine May, kein Salvini, ja nicht mal ein Macron wurde gewählt, um den Europäern zu gefallen, sondern um Innen- und Außenpolitik im Interesse ihres Landes zu betreiben. Es ist die deutsche Kanzlerin, Herr Pieper, nicht die europäische. Dass Sie gleichsam den Europäern ein nicht verfassungsmäßiges Recht auf ein Misstrauensvotum einräumen, die deutschen Wähler dagegen im Kommentar überhaupt nicht vorkommen, spricht Bände über Ihr Verhältnis zum Grundgesetz.
Das Grundgesetz kennt kein "Räumen" des Kanzleramts, das Herr Pieper fordert. Die rechtlichen Möglichkeiten für einen Kanzlerwechsel stehen im Grundgesetz (abgesehen vom Rücktritt), und ich habe sie oben erwähnt. Darf man von Öffentlich-Rechtlichen nicht erwarten, im Zuge des Bildungsauftrags wenigstens die korrekten Begriffe und den gesetzlichen Rahmen zu erwähnen, den man für seine Überlegungen heranzieht?
In den Kommentaren ist mehrheitlich, wie schon erwähnt, ein kollektives Aufseufzen zu vernehmen: endlich sagt's mal einer in den Medien.
Da die Große Koalition in derzeitigen Umfragen nur eine Minderheit erreicht, darf man davon ausgehen, dass die Mehrheit der Deutschen die aktuellen politischen Entscheidungen in der Tat nicht mitträgt. Wer mit einigermaßen offenen Ohren durchs Land geht, hat sich das schon vor zwei Jahren abzeichnen sehen. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, um beim Fokus des Kommentators zu bleiben.
Die Medien hätte es gebraucht, unvoreingenommen darüber zu berichten und sich in Analysen und Kontrollen zu versuchen. Jetzt, wo die Mehrheit amtlich ist, schnell noch scheinbar in den lauteren Chor mit einzustimmen, ist purer Populismus.
Niemand braucht Medien, die mit Nachrichten erst kommen, wenn die Mehrheit sie schon kennt.
Aber die einen waren ja eher mit dem Telemedienstaatsvertrag und die anderen mit dem europäischen Leistungsschutzrecht beschäftigt, als sich um ihre Kernaufgabe zu kümmern.
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