Samstag, 20. August 2016

Heidi Klum ist nicht das Problem. Frau Studienrat ist es.

Eine Inga Michler berichtet in der Welt über die Ergebnisse einer Studie von Trendence, bei der - seufz! - herauskommt, dass sich nur 1,3% der Mädchen für Informatik interessieren (dagegen 12,3% der Jungen, - yeah!).

Und wieso? Die Autorin lässt sich die zwei Standard-Antworten diktieren. Erstens: Mädchen sind zu dumm zum Augenaufmachen (ihnen sei "nicht bewusst", wie schwer die Jobs ihrer benachteiligten Mütter seien. Na klar.). Zweitens: Eltern und Erzieher demotivieren die Mädchen.

Eine dritte Antwort fällt etwas aus dem Rahmen: Heidi Klum sei ein schlechtes Vorbild... da musste ich mal lachen. Da ist also eine Frau, die das System offensichtlich verstanden hat und es erfolgreich nutzt wie kaum eine zweite, ohne dass sie dafür einen Mann kopieren muss (und ohne dass sie dafür studieren musste: das fuchst natürlich die Frau promovierte Volkswirtschafterin) - die ist jetzt ein schlechtes Vorbild für Mädchen. Na klar. (Gut, diese Ansicht ist nicht auf Frau Michlers Mist gewachsen. Aber sie hat ihn wiedergegeben.)

Frau Michler scheint zwar zu verstehen, dass der Gender Pay Gap nur für Leute sichtbar ist, die Statistiken nicht lesen können, indem sie zugibt, dass sich die Lücke schließen ließe, würden, ach würden die Mädchen doch nur nicht so aufs Soziale gucken, sondern sich für Technik interessieren.

Der Typ, der die Studie verantwortet, hat auch gleich den Tipp, den Berg zum Propheten kommen zu lassen und den Mädchen die soziale Seite der Technik anzutragen, anstatt sie für die Technik selbst zu gewinnen.

Ich habe einen anderen Tipp.

"Der Anteil männlicher pädagogischer Fachkräfte in Kindertagesstätten liegt gerade einmal bei 2,4%" sagt das Bundesministerium "für alles außer Männer". Der Lehrkörper an Grundschulen besteht nur zu 14,2% aus Männern und deren Anteil sinkt auch noch seit 50 Jahren, sagt dasselbe Ministerium.

Kinder sehen also in 40%-70% ihrer Lebenszeit Eines: dass es Berufe gibt, die offensichtlich nur von Frauen ausgeübt werden. Und da der Hausmeister in Schulen und Kindergärten ein Mann sein dürfte, lässt sich gleich noch die Ansicht verfestigen, dass es eben auch Männerberufe gibt. Fertig. So geht das mit der Sozialisierung.

Ich möchte dazu eine Stellungnahme an all die Genderforscher abgeben, die glauben, die armen Mädchen kämen nur nicht zum Zug, weil sie falsch sozialisert würden (ja, auch Sie, Stevie Schmiedel, mit Ihrer absurden Abwertung von Heidi Klums Erfolg):

Ja, die Mädchen werden in der Tat falsch sozialisert, und zwar von der Frauenschwemme, die sie in ihren ersten Lebensjahren erleben müssen. Wie sollen die Kleinen drauf kommen, dass Erzieherin und Lehrerin kein Frauenberuf ist?!

Ab jetzt gilt folgende Regel: Wer mir vorjammert, dass den Mädchen nicht klar ist, dass jeder Beruf jedem Geschlecht gleich offensteht, dann nehme ich das nur ernst, wenn er/sie sich mit der gleichen Verve dafür einsetzt, dass Kindergärten und Grundschulen mit allen bekannten Geschlechtern paritätisch besetzt werden. Punkt.

Frau Stevie Schmiedel kann ich daher nicht ernst nehmen - sie wird tatsächlich mit der Ansicht zitiert, Mädchen schauten nach Vorbildern in den Vorstandsetagen, wie z.B. die Geschäftsführerin Europa und Technik bei der Deutschen Telekom.

Ach, Sie wissen auch nicht, wer das ist? Aber Ihre zehnjährige Tochter, die schaut da bestimmt ganz gebannt auf diese eine Frau wie das Kaninchen auf die Schlange und sagt: "Das ist mein Vorbild! Ich will auch mal Geschäftsführerin Europa und Technik bei der Deutschen Telekom werden!".

Ich krieg mich vor Lachen nicht mehr ein. Frau Schmiedel, kommen Sie in der Realität an. Kindergarten und Schule sind die Vorbilder der Kinder, nämlich weil sie Teil derer Lebenswirklichkeit sind.

Setzen Sie für 50% männliche Erzieher, 50% männliche Lehrer, 50% weibliche Hausmeister ein (und für 50% Sportlehrerinnen übrigens auch). Aber passen Sie auf. Sie könnten dadurch die nächste Generation tatsächlich verändern.

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

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Donnerstag, 18. August 2016

Die Burka ist ... wen verachtend?

Gerade kocht mal wieder die Diskussion zur kopf- und körperverhüllenden Mode in islamisch geprägten Kulturen hoch.

Und wie immer wird, wenn ihre Integration in Deutschland verhandelt wird, ein frauenzentrischer Blickwinkel eingenommen. Wie zum Beispiel Jens Spahn in der FAZ schreibt, komme im Tragen der Verschleierung "ein völlig absurdes Frauenbild zum Ausdruck".

Ich gebe hiermit zu Protokoll, dass die Verschleierung vielmehr ein völlig absurdes Bild von mir als Mann zeichnet. Der Männer wegen, die sich beim Anblick unbedeckter weiblicher Haare und Haut angeblich sexuell nicht mehr beherrschen können, wird der ganze Verschleierungszirkus ja veranstaltet.

Mir steht es nicht zu, darüber zu urteilen, was einen islamischen Mann die Kontrolle über sein Handeln verlieren lässt. Ich aber empfinde es als persönliche Beleidigung, wenn Frauen, sich vor mir verschleiernd, mich implizit anklagen, ich würde sonst über sie herfallen wie ein Tier.

Die Burka verachtet nicht die muslimische Frau! Sie verachtet den westlichen Mann.

Schlagwort: Fadenschein

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Mittwoch, 13. Juli 2016

Genderwissenschaften: Bitte werden Sie dümmer

Mich stört, wie oft Genderthemen in diesem Blog auftauchen. Gut, ich könnte das gegenwärtige tumbe Aufrüsten und gegenseitige Provozieren zwischen NATO und Russland thematisieren - aber das hätte den Effekt von Trockenschwimmen.

Bei Genderthemen jedoch sind wir alle direkt betroffen und können auch alle direkt Einfluss nehmen. Wenn wir nur ein bisschen aufpassen würden.

Als Beispiel: die Sendung Gibt es Geschlechter - und wenn ja, wie viele? von Silvia Pahl, heute ausgestrahlt von meinem Haus- und Hofsender SWR2.

Ich bin grundsätzlich ein Befürworter neuer Wissenschaftszweige: sie können Wissen besser systematisieren und vertiefen. Die Spaltung von Mathematik und Informatik war mindestens bis in die 2000er Jahre ein großer Vorteil.

Bei den Genderwissenschaften komme ich zum entgegengesetzten Urteil, und das lässt sich an der genannten Sendung gut verdeutlichen. Hier drei Aufhänger.

Die Hälfte der Sendung müht sich ab, das soziale Geschlecht und seine Besonderheiten zu erklären. Dies ist ein nicht nur durch Chromosomen und Hormone, sondern auch "kulturell und gesellschaftlich beeinflusste[s] ... Sein", mit dessen Hilfe dann Rollen- und Platzzuweisungen in der Gesellschaft vorgenommen werden. Damit stimme ich überein: Kategorisierung anhand leicht erkennbarer Merkmale ist ein uraltes Mittel, um der Komplexität und Unberechenbarkeit unserer Umwelt Herr zu werden.

Die Genderwissenschaften stören sich aus irgendeinem Grund an Kategorisierung, wenn sie sich aufs Geschlecht bezieht. "Typisch männlich" oder "typisch weiblich" soll einem geschlechtsneutralen Blick weichen. Begründet wird das meist damit, dass das sozial zugeschriebene Geschlecht mit dem selbst zugeschriebenen manchmal auseinanderfällt oder dieses gar nicht abbilden kann.

Zum Beispiel würde man bei einer als "Mann" bezeichneten Person annehmen, dass er Frauen sexuell anziehend findet. Er könnte aber homosexuell sein oder sich selbst als Frau oder etwas zwischen Mann und Frau oder wechselnd als Mann oder Frau oder keins von beidem empfinden - die soziale Ecke, in die man das arme Geschöpf mit der Bezeichnung "Mann" stellt, mag also völlig unpassend sein.

Und dann kommt der erste Brüller: "Stattdessen nutzen die Fachbereiche bereits die Ergebnisse der Genderforschungen. Wenn es etwa darum geht, mehr Männer für soziale und pädagogische Berufe, mehr Frauen für technische Berufe zu interessieren."

Die Arbeitshypothese ist plötzlich, dass es (1) "Männer" und "Frauen" (als Gender!) gibt, und (2) dass sich soziale Männer von selbst nicht für soziale und pädagogische Berufe interessieren und soziale Frauen nicht für technische?! Und das, nachdem gerade ausgewalzt wurde, dass (1) aufgrund der Vielzahl der selbstzugeschriebenen Geschlechter eine Kategorisierung unmöglich und (2) eine Zuschreibung von Eigenschaften zu diesen Kategorien völlig verkehrt ist?

Es ist keine Wissenschaft, wenn es erst Annahmen postuliert und dann mit gegenteiligen Annahmen arbeitet!

Der Brüller geht noch weiter. Das komplette Zitat lautete: "Stattdessen nutzen die Fachbereiche bereits die Ergebnisse der Genderforschungen. Wenn es etwa darum geht, mehr Männer für soziale und pädagogische Berufe, mehr Frauen für technische Berufe zu interessieren. Oder auch ganz allgemein die hohen Hürden für mehr Fachkräfte in Naturwissenschaft und Technik etwas abzubauen."

Wenn es ein Ziel der Genderforschungen ist, "Hürden für ... Fachkräfte ... abzubauen", dann fordere ich hiermit, sie als Scharlatanerie zu brandmarken. Unser Fortschritt und Überleben hängt davon ab, immer mehr Wissen zu sammeln; d.h. dass die Hürden, ein Wissensgebiet zu beherrschen, ständig steigen müssen. "Hürden abbauen" bedeutet, Wissen und Spezialisierung lächerlich zu machen und nicht Fachkräfte, sondern Idioten zu schaffen, die viel von sich halten und nichts können. Das ist eine gesellschaftliche Horrorvision.

Und bitte, erklären Sie mir, warum "die Hürden für Fachkräfte in Naturwissenschaft und Technik" gerade dann abgebaut werden müssen, wenn "mehr Frauen für technische Berufe zu interessieren" sind.

Ebenso, wie sich die Astronomie von der Astrologie und die Chemie von der Alchimie trennen konnte, muss sich eine Geschlechtsforschung von der Genderforschung emanzipieren. Der Beitrag nennt sogar ein Beispiel: "In der Kardiologie wie in der Arbeitsmedizin oder der Neurologie lernen die Studierenden später, wie verschieden sich eine Erkrankung bei Frauen und Männern zeigt und wie unterschiedlich sie therapiert werden muss."

Hoppla, da haben wir wieder Männer und Frauen und einen Unterschied zwischen beiden. Und wie ist es bei Homosexuellen? Genderfluids? Asexuellen? Lächerlich, oder? Genau: Dieses Beispiel hat mit dem sozialen Geschlecht eben überhaupt nichts zu tun. Solche Ergebnisse der Genderforschung zuzuschreiben, die sich dem sozialen Geschlecht und also etwas völlig anderem widmet, ist einfach nur unredlich. Ich halte diese Vermengung an sinnvoller Forschung am biologischen Geschlecht und sinnloser Forschung am sozialen Geschlecht für einen gewollten Betrug.

Es gäbe so viele Themen, mit der sich die Genderforschung beschäftigen könnte. Z.B. könnte sie gegen die Auffassung ankämpfen, dass Frauen irgendwie die besseren Menschen seien, weswegen sie in Flugzeugen neben Kindern sitzen dürfen, während mir lediglich aufgrund meines Penis einfach so die soziale Rolle eines Mannes, ach was, eines perversen Kinderbelästigers zugeschrieben wird.

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

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