Nein, es war nicht wirklich besser, aber es war billiger; es musste billiger sein, denn die Ressourcen waren knapp. Das war aber nicht so schlimm, denn Ressourcen waren schon immer knapp.
Andere Ressourcen dagegen lassen sich leicht von dort holen, wo sich keiner wehren kann: aus der Zukunft zum Beispiel, oder aus ärmeren Ländern. Unsere Schulden sind Geld aus der Zukunft. Unser Mobiltelefon besteht aus chinesischen seltenen Erden und Arbeitskraft - zu Bedingungen, welche mit Art. 1 unseres Grundgesetzes nichts zu tun haben. Aber darüber nachzudenken wird Ihnen nicht leichtgemacht: Der Fluss von Strom, Benzin, technischen Geräten, Designerkleidung und sonstigem Kram scheint heute nur von Ihrer Kaufkraft begrenzt zu sein, von nichts sonst. Wer mehr Euro hat, kann mehr Ressourcen verbrauchen. Und tut es auch. Es scheint keine anderen Grenzen zu geben.
Das ist natürlich kurzsichtig und gemein, aber das Hier, Jetzt und Ich des Menschen war ihm schon immer näher als das Dort, Dann und Du. Große Weltreligionen schimpfen darüber und versuchen, uns für die Zeiten, Orte und Personen empfindsam zu machen, die wir nicht direkt sehen. Der Erfolg ist überschaubar.
Daher sind Paradigmenwechsel und Investitionen in neue Technologien zu begrüßen, die dem übermäßigen Ressourcenverbrauch Einhalt gebieten. "Brückentechnologien", die 50 Jahre im Einsatz sind und 300.000 Jahre lang das Leben gefährden, sind nicht akzeptabel - auch dann nicht, wenn der Verzicht auf sie höhere (oder einfach nur reale?) Kosten für uns bedeutet. Diese Kosten sind lediglich der Vorbote einer Wahrheit, die wir längst nicht nur verstanden, sondern umgesetzt haben sollten: Wir dürfen nicht alles tun, nur weil wir es können, und wir dürfen nicht alles verbrauchen, nur weil wir Zugriff darauf haben.
Und schon wieder stolpert man über die Weltreligionen, speziell die christliche, und fragt sich, was an der Theorie eines ewigen Gottesreiches so falsch ist. Langfristigkeit und Durchsetzungsfähigkeit sollten nicht sein Problem sein. Das Problem ist vielmehr: Wir, die wir auf nichts verzichten wollen, wären in diesem Reich wohl eher schlecht aufgehoben.
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Ich weiß nicht, was Sie gerade gegessen haben, aber es sollte Ihnen gleich wieder hochkommen bei dem schlechten Scherz, der an diesem Faschingsdienstag gespielt wurde. Nein, es geht nicht um Guttenberg und nicht um Gaddafi - das sind nicht mal Randnotizen im Vergleich zu dem, was Sie in Kürze in Deutschland und der restlichen "ersten Welt" erleben werden.
Doch der Reihe nach. Sie haben vielleicht die Diskussion um die Tigermütter mitverfolgt. Das ist die Spezies, die ihren Kindern von Anerkennung über Freizeit und Liebe alles Menschliche verweigert und sie stattdessen von klein auf wie rücksichtslos zu perfektionierende Leistungserbringer behandelt.
Ich habe mich dabei zuerst gefragt, warum wir eigentlich immer in Extreme fallen müssen? Gerade ist noch die antiautoritäre Erziehung der 60er und 70er, in der noch jede Beeinflussung des kindlichen Charakters zur Vergewaltigung erklärt wurde, stark verwässert in Form des Klapsverbots ins BGB hinübergehallt (ins BGB!), da erscheint vor unseren Augen eine Armee von Eltern, rührungslos wie Terrakottasoldaten, die schon ihre Ungeborenen im Mutterleib mit Fremdsprachen beschallen, von kleinen Rotznasen Perfektion am Geigen- wie am Sportbogen verlangen, und die ihre Teenager, um die sich die Pubertät drückt wie das Rind ums Bolzenschußgerät, nur auf Eliteunis mit integrierter Doktorwürde akzeptieren können, oder besser noch im Vorstand eines Fortune-500-Unternehmens.
Ich möchte laut aufschreien beim Anblick dieser Zombies, die mir schon heute, meist asiatisch, mitternachts in der Uni im Delirium vor die Füße taumeln und mir Bewerbungen mit Zitaten deutscher und amerikanischer Philosophen schicken. Diese Tigermuttererziehung, das gilt es klar zu sagen, hat nichts mit der Vermittlung von Arbeitsethik zu tun, oder von Normen, oder gar von Tugenden. Diese Kinder lernen nicht, weil sie Wissen schätzen. Sie arbeiten nicht, weil sie Anstrengung für richtig halten. Sie ehren nicht, weil sie einschätzen könnten, wem Ehre gebührt. Mit ein bisschen Rückblick aufs vergangene Jahrhundert kann man getrost sagen, dass hier die neue Herrenrasse geschaffen werden soll: Eine gegen sich und andere rücksichtslose, jedem Gefühl abholde, keine Imperfektion verzeihende Masse an funktionierendem Menschenmaterial.
Nun, das mag weit hergeholt klingen. Sicherlich hat die heutige Welt solchen rastlosen, "unmenschlichen" Geistern wie Alan Turing, Kurt Gödel, Albert Einstein, Karl-Friedrich Schinkel, Friedrich dem II. oder Napoleon Bonaparte (um nur mal die neuere Geschichte zu streifen) viel zu verdanken, auch wenn die Liste ihrer Verdienste durchaus durchwachsen ist. Ohne sie hätten wir heute vielleicht eine ungeknackte Enigma, keine Atombombe, kein GPS, keine allgemeine Schulpflicht, keine Kartoffeln oder kein BGB. Doch als Menschen waren diese Leute nicht zu gebrauchen, und sie sind dankenswerterweise Einzelfälle unter den paar Milliarden Menschen, die die Erde bisher gesehen hat.
Heute geht es aber nicht darum, die Genies ihre Sache machen zu lassen, sondern Kinder mit aller Macht in eine künftige Leistungselite mit reserviertem Platz an der Sonne einzugliedern. Wenn Sie beim Wort "Herrenrasse" oben ans Dritte Reich gedacht haben, sind Sie schon auf dem richtigen Dampfer. Genau darum geht es: die Kinder an dem kleinen Kuchen der Weltbeherrschung teilhaben zu lassen und sich selbst in der Mutterschaft der Übermenschen zu sonnen. Dass das keine Hirngespinste sind, zeigte der heutige Tag.
Heut ist der deutsche Ethikrat zum Schluss gekommen, dass Präimplantationsdiagnostik nicht abzulehnen sei. Ich will darüber gar nicht diskutieren, sondern weiterdenken. Wissenschaftliche Fortschritte gibt es nämlich in einem benachbarten Gebiet: der Pränataldiagnostik. Dabei wird einer Schwangeren Blut abgenommen, Bruchstücke des Fötus-Genoms daraus extrahiert und dann kann's losgehen. Trisomie 21 (Down-Syndrom)? Feststellbar. Diabetes? Rot-Grün-Blindheit? Blaue Augen? Blonde Haare? Alles da, und ohne Aufwand oder Risiko für den Fötus (zumindest nicht gleich). Bald können Sie den Test in der Apotheke oder zu Hause machen.
Es bedarf keiner besonderen Begabung um vorherzusehen, was folgt. Als Schwangere werden Sie diesen Test haben müssen, zuerst so sehr, wie man ein iPhone braucht, und später so sehr, wie eine ostdeutsche Friseurinnenazubine einen zwei Tageslöhne teuren Personalsausweis haben muss. Keine Krankenkasse wird Ihnen Therapien für ein behindertes Kind bezahlen, nur weil Sie die Diagnose abgelehnt haben oder trotz Diagnose nicht abgetrieben haben. Und wenn man in Ihrem Blut nebenbei eine Erbkrankheit entdeckt, brauchen Sie sich gar keine Illusionen machen, je eine Geburtsklinik nochmal von innen zu sehen. Während die ganze Entwicklung auf dem Egoismus der Designereltern basiert, perfekte Elitekinder zu haben, wird man den Spieß umdrehen und Ihnen Ihren Egoismus vorhalten, der Volksgemeinschaft ein nicht ganz so perfektes, durchschnittliches oder, Gott behüte, gar behindertes Kind aufzubürden. Stupide Elternpietät. Wir leben im 21. Jahrhundert und müssen unsere Wünsche und Gefühle, unser Leben und unsere Kinder den großen Visionen der Weltfortentwicklung opfern.
Es ist wirklich eins zu eins dieselbe Ideologie wie im Dritten Reich. Nur, dass die Nazis nicht die ersten und nicht die letzten damit waren. Und dass Lebensborn, Aktion T4 und Gestapo bei allem Entsetzen nur lächerliche Dilettantenstücke waren im Vergleich zu dem gnadenlosen Fortpflanzungs-, Bildungs- und Leistungsfaschismus, in dessen gesellschaftliche Zwänge die Schwellen- und Industrieländer wohl noch vor den Ländern der Dritten Welt geraten werden. Und leider ist es auch schwieriger, den Feind zu erkennen. Auf welchen Hitler müsste Stauffenberg heute ein Attentat planen, welche Enigma gilt es heute zu entschlüsseln, welches OKW müsste man heute zur Kapitulation zwingen?
Und was, wenn wir es nicht tun? Was wird passieren, wenn sich die perfekten Heere von Pakistanis, Israelis, Chinesen und Inder im Kampf um Lithium, Erdöl, Sojabohnen, Fisch, Wasser und den Kosmos gegenüberstehen? Wird jeder von ihnen alles, was er beherrscht - seine 10 Sprachen, seine diplomatische Verhandlungsführung, seinen physikalischen, geographischen, geschichtlichen Sachverstand - einbringen, um in einer entspannten Gesprächsrunde Friede, Freude und Eierkuchen herbeizuführen? Oh, oh.
Meine Güte. Bei der Forschung in der Informatik kommt man ja auch vor ethische Probleme (Schnüffelprogramme schreiben? Software für die Kriegführung entwickeln?). Aber was man die Humangenetiker da gerade lostreten lässt, ist echt eine Nummer zu groß.
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Haha, da hat ein Informatiker einen „digitalen Radiergummi“ vorgestellt, mit dem man die freizügigen Fotos von seinem letzten Vollabsacker aus dem Internet löschen kann ... herrlich, sage ich Ihnen!
Nein, da verlinke ich jetzt nicht drauf. Ich bin mir sicher, dass der Kollege da grad eine Satireveranstaltung abzieht und seinen staatlichen Auftraggebern unverholen den Allerwertesten zeigt für ihre Naivität, so ein hirnverbranntes Projekt überhaupt in Betracht zu ziehen und in Auftrag zu geben.
Leute, ich weiß, es ist schwer, aber bitte-bitte: Stellt Euch bitte nicht so an und hört endlich auf, Phänomene in der digitalen Welt mit analogen Analogien beschreiben und bekämpfen zu wollen. Das ist im besten Falle sinnlos, im peinlichsten Falle lächerlich, und im schlimmsten Falle gefährlich.
Gefährlich, weil es die Menge der Bevölkerung im Glauben lässt, sie sei den Anforderungen des Internet gewachsen, wenn sie nur ihre bisherige Chuzpe nicht verliert. Das ist falsch!
Zum Beispiel hat diese fehlende Einsicht bisher eine konsistente Regulierung des Internetrechts staatlicherseits verhindert. Bisher schwanken Legislative und Exekutive zwischen zwei Extremen: dem laisser-faire und der absoluten Kontrolle. Das ist so, als würde man jeden ohne Altersbegrenzung oder Fahrerlaubnis mit dem Brummi durch die Dörfer jagen lassen, andererseits aber von allen Ihren Bewegungen einen GPS-Track anlegen und speichern lassen, damit man Ihnen am 90. Geburtstag noch nachweisen kann, wie Sie Rüpel als Teenie mal am Stoppschild nicht angehalten haben.
Ich finde aber, dass das dem Staat gar nicht anzulasten ist, solange die Bürger, die er repräsentiert, noch nicht reif genug sind, um mit dem Internet umzugehen.
Wie ist das so mit Ihnen?
Hinterlassen Sie schlecht überlegte Frotzeleien im Kommentarbereich von Heise oder GMX? Laden Sie Ihre Nacktfotos auf Picasa? Kopieren Sie ihre Hausaufgaben oder Zeitungsartikel von fremden Quellen? Erzählen Sie auf Livejournal über ihre Selbstmordfantasien? Schenken Sie Facebook alle ihre persönlichen Daten, Freundschaften und Vorlieben? Erzählen Sie Google über die Suchzeile alles, was Sie interessiert? Erzählen Sie über Twitter der ganzen Welt, dass Sie grad nicht zu Hause sind?
Nein? Glückwunsch. Es gibt eine Chance, dass Sie sich im Internet ganz gut zurechtfinden.
Auf diejenigen, die nach einem digitalen Radiergummi schreien, trifft das offenbar nicht zu. Sie leben wohl in einer Art Traumwelt, wo man mit dem Auto vorsätzlich zehnmal in die Leitplanke fahren kann und das ganze dann mit Strg+Z wieder rückgängig machen kann, sobald man das nicht mehr lustig findet. Auf sowas kann man eigentlich nur mit einer Verhöhnung antworten wie mein Kollege aus Saarbrücken.
Allerdings muss ich hier noch was einschieben. Wenn ein Arbeitgeber einen Bewerber wegen im Internet dokumentierter Entgleisungen am Wochenende nicht einstellt, oder Journalisten wegen vor Jahren begangener Fauxpas' bei keinem Verlag mehr einen Fuß in die Tür bekommen, dann verhält sich die andere Seite der Internetnutzer, die ihnen hinterherschnüffelt, nicht minder unprofessionell. Und zwar auf so vielen Ebenen, dass ich es hier gar nicht aufzählen kann (schreiben Sie mir, dann kommt es in die Kommentare oder einen neuen Beitrag).
Will sagen: wer das Internet als Rezipient nutzt und alles darin Gefundene auf die Goldwaage legt, obwohl er weiß, dass das Netz „nichts vergisst“, während Menschen sich weiterentwickeln --- der kann eben auch nicht damit umgehen.
Das Internet erlaubt keine Analogien. Einen kollektiven, widersprüchlichen Fundus gesamtmenschheitlicher Ansichten und Absichten, der stets und global verfügbar ist und nichts vergisst --- das gab es eben früher nicht. Wir müssen es als etwas Neues begreifen lernen und nicht versuchen, es mit Analogien in unseren bisherigen Erfahrungshorizont einzugliedern.
Nur dann haben wir eine Chance, der Geister Herr zu werden, die alle und niemand so richtig gerufen haben.
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