Ich lese gerade, dass "der Datenklau durch Phishing beim Online-Banking" sprunghaft zunimmt, weil die Kunden in "ungeschützten Netzen" unterwegs seien und den Virenschutz vernachlässigen. Das LKA Sachsen findet, man brauche deswegen dringend Vorratsdatenspeicherung, und Geschädigte sollten ihren PC zum LKA bringen lassen. (via)
Aber holla. Ich sag Ihnen jetzt mal was.
- Da das Internet grundsätzlich ein "ungeschütztes" Netz ist, verschlüsseln ernstzunehmende Banken ihre Kommunikation (sieht man am "https" in der Adresszeile des Browsers) und authentifizieren sich mit einem Zertifikat. Es ist IHRE VERANTWORTUNG, nur mit ernstzunehmenden Banken umzugehen und das Zertifikat zu prüfen.
- Virenschutz kann zwar vor Trojanern warnen, die Sie beim Eintippen der Bankdaten beobachten und die Daten dann nach Russland schicken. Aber, wo haben Sie die Trojaner denn her? Ohne Ihnen zu nahe zu treten: auf diese Seiten hätten Sie nicht gehen sollen. Es ist IHRE VERANTWORTUNG, wenn Sie Ihr reales Leben vergeuden, um sich ziellos durch Foren, Google, Soziale Netze, Spiele- und sonstige Seiten zu klicken, die auch Ihre primitivsten Bedürfnisse eben doch nicht erfüllen können.
- Phishing umschreibt den Versuch, Sie zu überreden, Ihre Daten freiwillig herauszugeben. Wenn Ihnen Ihre Bank eine PIN schickt und verbietet, die PIN irgendjemandem mitzuteilen, dann ist es IHRE VERANTWORTUNG, nicht auf eine Mail in gebrochenem Deutsch zu antworten und es doch zu tun.
Warum stellen sich so viele Normalos eigentlich derart an, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen? Eigentlich ist jedem klar, dass er keinem Unbekannten die PIN/TAN geben darf, dass er sich nicht in zwielichtigen Gegenden rumtreiben sollte und dass man seine Geheimnisse nicht ans Schwarze Brett hängt. Wenn Sie es trotzdem tun und dafür keine Verantwortung übernehmen wollen, gibt es nur einen einzigen Ort, der Sie vor Schaden bewahren kann: eine Geschlossene Anstalt.
Genau dazu versuchen verschiedene Interessengruppen das Internet gerade zu machen. Das LKA schlägt vor, IHRE Verbindungsdaten unbegrenzt zu speichern und IHREN PC untersuchen zu lassen, wenn jemand anderes kriminell handelt. Das ist eine Entmündigung, aber sie geschieht Ihnen recht. Denn Verbrechen im Internet sind die einzigen, die Sie vollständig verhindern können, indem Sie sich einfach zu keinen Dummheiten verleiten lassen.
Und wer bereit ist, Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen, überlegt eben erst mal gut vor dem Handeln und lässt sich nicht zu Dummheiten verleiten.
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Soso, Wikileaks veröffentlicht den Inhalt von Depeschen mit den Lageberichten von Diplomaten im Ausland.
Ich scheine als Aspie, Informatiker, Forscher usw. vielleicht prädestiniert dafür, „freie Information“ und alles, was mit Wiki- anfängt, gut zu finden. Das wäre aber eine unreflektierte Einstellung und sie ist - wen wundert's - genau deswegen häufiger unter den Normalos zu finden als untern den Aspies. Genau wie die völlig entgegengesetzte Meinung, nämlich, dass das alles Teufelszeug sei.
Zu den Depeschen also:
Natürlich sollte man durchaus die Wahrheit sagen. Aber man muss auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Wenn ich einen Kollegen inkompetent nenne, und das kommt raus und ich kann es nicht beweisen, bin ich diskreditiert und kann eigentlich nichts anderes tun als meinen Hut nehmen. Das ist bitter, aber damit ist die Sache beendet. (Und meine Karriere auch - naja, anderes Thema).
Doch auf zwischenstaatlicher Ebene funktioniert das so nicht. Nicht umsonst gibt es die Diplomatie, die durch die Einhaltung formeller Regeln dafür sorgt, dass selbst „verfeindete“ Länder miteinander verkehren können. So können sie Interessen wahren, Übereinstimmungen finden oder größeres Übel abwenden - ohne das Gesicht zu verlieren oder von ihrer öffentlichen Position abzurücken. Natürlich weiß jeder, was der andere über ihn denkt. Wenn sich beide Seiten trotzdem auf den Minimalkompromiss des Protokolls einlassen, kann man wenigstens geordnet miteinander auskommen.
Diese nützliche Übereinkunft wird durch die Veröffentlichung der Depeschen ohne Grund verletzt. Die veröffentlichten Einschätzungen der Diplomaten sind vielleicht objektiver als jede Pressemitteilung. Zurechnen lassen muss sie sich jedoch die auftraggebende Regierung. Und die kann nicht einfach die Konsequenzen ziehen, den Hut nehmen und verschwinden (was allerdings wohl dem Diplomaten blühen wird). Wie stellt man sich denn bei Wikileaks die internationale Zusammenarbeit nach der Veröffentlichung der Depeschen vor? Wem ist gedient damit, wenn Diplomaten nicht einmal ihren Dienstherrn gegenüber ein realistisches Bild der Lage zu zeichnen wagen?
Und mal ehrlich: Glauben Sie, die Berichterstattungen der deutschen Diplomaten über ausländische Regierungen (sagen wir, z.B., den ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten) seien diplomatischer ausgefallen? Glauben Sie, dass Drittstaaten sich weniger darüber mokieren, wenn ihre Verhandlungspartner ihre eigennützigen Interessen nicht unterstützen, als die USA? Wozu auch? Solche Interessen zu verfolgen ist jedermanns gutes Recht. Der Mediamarkt stellt Sie ja auch nicht an den Internetpranger, weil Sie wiedermal das allerbilligste Gadget suchen.
Worin also besteht Wikileaks' Fehler? In der Einschätzung, warum die Depeschen vertraulich waren.
Sie waren nicht vertraulich, weil ihr Inhalt geheimes Wissen darstellt. Im Gegenteil: Wenn wir herzlich über den Wiedererkennungswert des Inhalts lachen und den Eigennutz der USA in ihnen erkennen, handelt es sich dabei wohl eher um öffentlich verfügbares (wenn auch unausgesprochenes) Wissen.
Sowas braucht man nicht über Wikileaks veröffentlichen. Das missachtet das diplomatische Protokoll und schafft Misstrauen ohne Grund.
Wirklich geheime Information zu veröffentlichen, deren Offenbarung der gebildeten Öffentlichkeit zu neuen Einsichten verhilft - das wäre etwas anderes gewesen. Und ich dachte eigentlich, das wäre der Zweck hinter Wikileaks gewesen. Stattdessen wird Boulevardklatsch veröffentlicht. Na, danke. Das ist ein Cablegate für Wikileaks, nicht für die USA.
Ach, und übrigens: Wenn jetzt von großem Schaden geredet und Wikileaks deswegen angegriffen wird: das ist DIPLOMATIE! Eigennutz! Protokoll! Gesichtwahren! Take it with a grain of salt.
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Ich habe ja früher die Marktwirtschaft nur über den Zaun beobachten können, aber jetzt lebe ich selbst in einer und habe auch nie Probleme, ihre Vorzüge zu erläutern. Hier ein aktuelles Beispiel.
In einer Marktwirtschaft entscheiden sich natürlich auch der Preis und die Quellen der Energieversorgung am Markt - der Staat stellt wie immer nur die Rahmenbedingungen. Eine der Rahmenbedingungen, über die gesellschaftlicher Konsens herrscht, lautet: Wer Dreck macht, räumt ihn weg, so dass er keinen anderen stört.
Aus demselben Grund brauchte sich der Staat nicht in die zivile Nutzung der Atomkraft einzumischen, wie sie seit dem 2. Weltkrieg denkbar wurde. Er besann sich rechtzeitig auf Ludwig Erhard, bestand lediglich auf dem Dreckwegräumen und überließ den Rest dem Markt. Das ging dann so weiter:
Die Energiekonzerne mussten also zusichern, dass sie ihre abgebrannten Brennstäbe so endlagern können, dass sie niemandem gefährlich werden. Eine Nachfrage nach Endlagern enstand, und - wir haben ja Marktwirtschaft - wo eine Nachfrage, da auch ein Angebot. Findige Unternehmer gründeten Endlagerunternehmen, kauften Boden für Endlager, überzeugten die Anwohner und ließen sich die Lager vom Staat als endlagertauglich zertifizieren (auch so eine Rahmenbedingung).
Andere Unternehmer witterten das große Geschäft mit den Castortransporten aus den AKWs in die Wiederaufbereitungsanlagen und von dort in die Endlager. Sie bauten Castorbehälter, überzeugten die Anlieger der Strecken, heuerten ein paar Tausend Leute für die Security an und ließen sich die Absicherung der Transporte vom Staat zertifizieren (noch so eine Rahmenbedingung).
Nun haben wir ja Marktwirtschaft, und es trat ein ruinöser Wettbewerb zwischen den Endlagerbetreibern und den Castortransportern ein. Trotzdem gab es für die Energieversorger keine Schnäppchen. Die Kosten für die geologische Erkundung und Einrichtung der Endlager, die Zertifizierung beim Staat, und nicht zuletzt die umfangreiche Pro-Endlager- und Pro-Castortransport-Werbung inklusive der Entschädigungszahlungen an die erbosten Anwohner trieben die Kosten in astronomische Höhen.
Sowas regelt in einer Marktwirtschaft natürlich der Markt. Die Energieversorger rechneten sich also durch, was die Endlager, die Castortransporte, die Atomunfallversicherung und die PR für Atomkraft alles kosten würde, schlugen ein paar Milliarden berechtigte Gewinnerwartungen für ihr unternehmerisches Risiko drauf und kalkulierten den Atomstrompreis.
Allerdings regelt in einer Marktwirtschaft der Markt den Preis und nicht die Energieversorger. Findige Unternehmer rochen Lunte und investierten in alternative Wege zur Stromproduktion. Neben ein paar Überlegungen für das Verbrennen von fossilen Brennstoffen, die aufgrund der vom Staat verlangten Einzahlungen in Folgeschädenfonds durch CO2- und Feinstaubschäden marktwirtschaftlich untragbar wurden, machten schließlich erneuerbare Energien das Rennen. Nicht, weil sie kostenlos waren oder vom Staat gefördert worden wären, sondern weil ihre gesellschaftlichen Folgekosten, die gerechterweise jeder Unternehmer für sein Produkt von vornherein zu kalkulieren und abzuführen hat, einfach am geringsten waren.
Es war klar, dass die Bürger den billigeren Strom aus erneuerbaren Energien kaufen würden, weshalb die Energieversorger ihre Konzepte zur zivilen Nutzung der Atomkraft einstampften, die Endlager- und Castortransportunternehmen wegen der nunmehr fehlenden Nachfrage zumachten und sich erfolgversprechenderen Geschäften zuwandten.
Und so verhinderten die Marktwirtschaft und die einsichtsvollen Rahmenbedingungen der Politik die Einführung der Atomkraft in Deutschland.
Was könnte man jetzt noch gegen Marktwirtschaft sagen?
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