Nach dem ersten Schreck überlege ich, ob ich aussteige und den Kids die Flötentöne geige. Ein Pulk Erwachsener, unter denen ich ihre Eltern vermute, steht keine 20 m entfernt. Alle grinsen fröhlich. Mit Deutschlandfahnen. Ich fahre dann doch lieber weiter. Geigen gegen Vuvuzelas sind keine gute Idee.
Es ist unübersehbar: Deutschland die deutsche Nationalmannschaft hat ein Viertelfinalspiel bei der Weltmeisterschaft im Herrenfußball gewonnen.
Dass ich kein Fußballfan bin - geschenkt. Dass ich als Aspie das Konzept von "Sau raus lassen" nicht verstehe - ebenfalls geschenkt. Die Absurdität, dass völlig unbeteiligte Menschen einen Sieg feiern, weil ein paar hochtalentierte Millionärbubis ihren Arbeitsvertrags erfüllen - obendrein geschenkt.
Dass mir das kollektive Fahnenschwenken wegen gewisser Erfahrungen mit zwei Diktaturen ein Graus ist - von mir aus auch geschenkt.
Mit der Gefährdung anderer, und erst recht der Kinder durch die Verletzung der Aufsichtspflicht, hört für mich der Spaß jedoch auf. Gibt es keine Fanmeilen, wo sie feiern können? Keinen Garten, wo sie um den Grill hüpfen können?
Ich mag Deutschland. Wenn ich mit dem Flugzeug über unsere Landschaft fliege und die grünen Wälder, akkurat bestellten Felder und verstreuten Dörfer sehe, bin ich glücklich, heute in einem der besten Länder der Welt zu wohnen. Aber für unser gemäßigtes Klima können wir nichts, und ein Viertelfinalsieg im Fußball ist für mich kein Grund zum Stolz auf dieses Land.
Und worüber es sich lohnen würde zu jubeln.
Wir sind vielleicht gute Philosophen, Literaten, Forscher und Ingenieure. Aber mit dem Nationalgefühl konnten wir noch nie richtig umgehen. Nicht 1871, nicht 1914, nicht 1939.
Vielleicht sind Erfahrungen mit Diktaturen ja doch nicht so geschenkt.
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Naja.
Wir glauben ja wohl alle nicht, dass die FIFA die Weltmeisterschaft aus Altruismus austragen lässt - Gemeinsamkeit der Nationen, Afrika, und so. Denn die WM kostet Geld. Geld, das eine Seite bezahlt, und die andere bekommt.
Das Lustige ist dabei, dass er gar nicht selber zahlt, sondern dafür in die Taschen der Belustigten greift - also in Ihre.
Danke für Ihre Gebühren.
Ich habe früher mal in einer staatlichen Verwaltung gearbeitet und kann Ihnen nur sagen: Nie gibt sich Geld leichter für "Brot und Spiele" aus, als wenn es nicht das eigene ist und der, der es tatsächlich zahlt, sich nicht wehren kann.
Genau das passiert natürlich auch bei der WM.
Wir haben alle nur verloren.
Jaaaa, jetzt kommen Sie und sagen - Investition und Wirtschaft und allen zugute und Arbeitsplätze und so...
Ich habe nichts gegen Investition.
Investieren Sie doch: schicken Sie ihr Kind auf die Musikschule, kaufen Sie sich ein Haus, gehen Sie mit Ihrer besseren Hälfte fein essen oder machen Sie einen Tanzkurs.
Da haben Sie wenigstens was davon.
Sich aber 90+ Minuten schwitzende Männer anzusehen, die einem Ball aus pakistanischem Leder hinterhertreten - also, nichts gegen Pakistan, aber ist das eine Investition? Ein Wert?
Alle Möglichen haben am Sonntag gewonnen - die FIFA, die Fußballer, ein paar große und viel weniger kleine Unternehmen - aber ganz sicherlich nicht "wir". Nicht Sie. Nicht ich.
Wir haben nur verloren.
Bezahlt und nichts dafür bekommen.
Aber das war nicht das erste Mal und wird nicht das letzte Mal so sein.
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Jetzt existiert dieses Blog schon über ein Jahr und ich habe noch kaum etwas über die Themen geschrieben, von denen ich wirklich was verstehe: Informatik.
Fangen wir also mal mit einem Begriff aus aus Ingenieurskunst an (auch Informatiker sind Ingenieure!): Fail-safe.
Wörtlich übersetzt heißt das "ausfallsicher" und beschreibt einen Mechanismus, der eine vorhersehbare (und möglichst sichere) Grundstellung einnimmt, selbst wenn sonst nichts mehr funktioniert. Ich erkläre Ihnen das mal.
Stellen Sie sich vor, sie würden darauf wetten, dass Ihr Windows nie abstürzt.
Das ist natürlich riskant, und so sieht jeder ein, dass Sie aberwitzige Summen dafür kassieren, wenn Sie die Wette gewinnen. Schließlich haben Sie der viel höheren Wahrscheinlichkeit des Verlusts die Stirn geboten.
Jetzt stellen Sie sich vor, das verwettete Windows liefe einer historisch bedeutsamen, medial groß inszenierten Produkteinführungspräsentation für eben jenes Betriebssystem. William Henry III [Bill Gates] leibhaftig wird seine Milliarden auf diese Präsentation werfen, um einen Bluescreen zu verhindern.
Und wenn es trotzdem einen gibt und Sie die Wette verlieren, übernimmt Bill Gates Ihre Wettschulden und legt noch was drauf.
Das ist fail-safe.
Okay, das war vielleicht zu technisch. Versuchen wir eine andere Erklärung.
Stellen Sie sich vor, sie seien Banker und Begriffe wie "Berufsehre" oder "Gewissen" seien Ihnen fremd. Anstelle in eine reale Wertschöpfung zu investieren und den Ihnen für ihre Vorausschau und gesundes Urteilsvermögen zustehenden Teil des geschaffenen Wertes abzuschöpfen, verwenden Sie fremder Leute Geld und finanzieren damit riskante Wetten.
Sagen wir, Sie wetten darauf, dass der griechische Schuldendienst funktioniert.
Das ist natürlich riskant, und so sieht jeder ein, dass Sie aberwitzige Summen dafür kassieren, wenn Sie die Wette gewinnen. Schließlich haben Sie der viel höheren Wahrscheinlichkeit des Verlusts die Stirn geboten.
Jetzt stellen Sie sich vor, das verwettete Griechenland nehme an einer historisch bedeutsamen, medial groß inszenierten Einheitswährung teil. Die Deutschen leibhaftig, als Mitinitiator der Währung und auch sonst mit Schuldgefühlen und vorauseilendem Gehorsam gesegnet, werden ihre Milliarden auf dieses Land werfen, um einen überhaupt nicht sicheren und weitgehend folgenlosen Ansehensverlust der Einheitswährung zu verhindern.
Anstatt Sie als Zocker in die Pflicht zu nehmen, weil Sie Ihre Wette verloren haben, zahlen die Deutschen und noch ein paar Europäer Ihnen ihre Wettsumme anstandslos aus.
Das ist fail-safe. Kein Risiko eingehen und so bezahlt werden, als wäre man eins eingegangen.
Aber jetzt kommt es noch besser. Die Deutschen bezahlen Ihre Wettschulden natürlich nicht aus der Portokasse. Sie müssen sich das Geld borgen - und zwar bei Ihnen selbst! Aber Sie sind schließlich Banker und verborgen ihr Geld nicht für umme. Drei, vier Prozent müssen schon drin sein.
Das ist fail-safe. Sich bezahlen lassen, was einem nicht zusteht, und sich zusätzlich dafür bezahlen lassen, dass man es annimmt.
Es geht sogar noch besser. Sie haben nämlich auch keine Portokasse, aus der Sie den Deutschen was leihen können. Also gehen Sie zur Europäischen Zentralbank und leihen sich von der das Geld. Zinssatz: Ein Prozent (1%). Die Zinsdifferenz streichen Sie dafür ein, dass Sie weder etwas haben noch etwas tun.
Das ist schon nicht mehr fail-safe, das ist fool-proof. Sich beim Steuerzahler billig Geld leihen, es dem Steuerzahler teuer wieder verleihen, und die Leihsumme schließlich geschenkt bekommen, weil man auf den Ruin des Steuerzahlers gewettet hat - ja, das ist unbezahlbar.
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