Dienstag, 5. Juli 2016

Begrabt den Ingeborg-Bachmann-Preis

Natürlich ist mir der Ingeborg-Bachmann-Preis egal. Es beruht ja auf Gegenseitigkeit.

Als mein Haus- und Hofsender SWR2 morgens in einem Interview verlauten ließ, die Verleihung des diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preises sei ein politisches Statement, musste ich doch mal zuhören.

Denn dieser Quatsch verbreitet sich gerade endemisch: Anstatt einen Literaturpreis womöglich gemessen an erbrachter Leistung oder erkannten Perspektiven auf dem Gebiet der Literatur zu verleihen, muss irgendwas Politisches gesagt werden.

Das ist doppelt blöd, denn so verliert der Preis nicht nur seinen literarischen Kern. Er erhielt auch keinen politischen. Zumindest hat die Interviewte sich nicht zu sagen bemüßigt, worin denn dann nun die politische Aussage bestünde.

Klar, die Preisträgerin Sharon Dodua Otoo ist farbig. Sie ist eine Frau. Sie ist eine Feministin. Wunderbar intersektional.

Ich hätte dem ja keine Bedeutung beigemessen, weil dem auch ganz einfach keine Bedeutung zukommt. Seit wann sind den Geschlecht, Hautfarbe und Gesinnung Gegenstand sinnvoller politischer Aussagen?

Und selbst wenn: während der Zeitgeist ganz klar das weibliche Geschlecht, jede Hautfarbe außer der weißen und ganz sicherlich auch den Feminismus hofiert - worin besteht dann die politische Aussage außer darin, dass man gern mit dem Strom schwimmt und sich noch gerner dabei selbst auf die Schultern klopft?

Den prämierten Text findet man beim ORF.

So sinnlos, wie er sich liest, ist er leider nicht. Im Unterschied zur benebelten Jury, die einen im Jahr 1994 handelnden Text (DA HATTE NOCH NIEMAND INTERNET) für eine Satire über den deutschen Alltag im Jahre des Herrn 2016 hält, hat er sehr wohl eine politische Aussage.

Sie lautet: Männer und ihre Leistungen unsichtbar machen.

Denn der im Titel des Machwerks benannte Helmut Gröttrup war ein vielseitiger Ingenieur, war am V2-Projekt beteiligt und widersetzte sich gleichzeitig seiner militärischen Nutzung. Er hat dazu beigetragen, dass Informatik (mein Beruf) sich von der Mathematik emanzipieren konnte. Die Wikipedia-Seite erwähnt noch mehr Erfindungen, die heute milliardenfach ihre Verwendung finden. Sie waren mir selbst nicht bekannt - daher ein Dank für die Erinnerung an diesen Menschen.

Freilich starb Helmut Gröttrup schon 1981, sodass Sharon Dodua Otoos Text dem Eingeweihten dankenswerterweise sofort als Fiktion entgegentritt. Die Autorin findet es witzig, die Rat- und Machtlosigkeit des alternden Mannes gegenüber seiner Putzhilfe Ada, ja sogar gegenüber dem eigensinnigen Frühstücksei zu beschreiben, das ihm auf die Krawatte spritzt. Seine berufliche Laufbahn findet genau einnmal Erwähnung: da, wo sein Versuch, Beruf und Familie zu vereinen, kurzerhand als Verdienst seiner Frau dargestellt wird.

Von seinen Leistungen, die sich auch in Sharon Dodua Otoos Geldbörse finden - kein Wort. Wozu auch, wenn man Männer-Bashing betreiben kann und den Mann nicht nur tatsächlich durch seine Reduzierung auf ein Frühstücksei, sondern auch noch sprachlich durch die höchst infantile Ersetzung des Wortes "jemand" durch "jemensch" tilgen kann.

Fazit: Den JurorInnen des Bachmann-Preises sei verziehen. Kunst zu politisieren war schon immer falsch - die ganzen Hitler-, Thälmann- und Stalinpreisträger können ein Lied davon singen. Denen wäre es besser gegangen, hätte man ihr Werk prämiert und keine politische Aussage gemacht. Ich sehe keinen Grund, warum die noch zukünftige Geschichte nicht auch dasselbe mit dem diesjährigen Bachmann-Preis erreichen sollte.

Den Sexismus und Revisionismus, mit dem Sharon Dodua Otoo über einen verdienten Ingenieur und Informatiker hinwegbügelt, verzeihe ich der Autorin nicht. Möge sie zusammen mit ihrer Gesinnung ebenso unbekannt bleiben, wie es der Ingeborg-Bachmann-Preis der Autorin war, ehe sie ausgezeichnet wurde: "Ich habe den Preis vorher eigentlich gar nicht gekannt."

(Allein das muss man sich mal vorstellen!)

Andererseits: Wenn der Ingeborg-Bachmann-Preis den Nachwuchsautoren nicht mehr bekannt ist - ist das kein Hinweis, dass er seine Schuldigkeit getan hat und leise zu Grabe getragen gehört?

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

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