Ich habe ja früher die Marktwirtschaft nur über den Zaun beobachten können, aber jetzt lebe ich selbst in einer und habe auch nie Probleme, ihre Vorzüge zu erläutern. Hier ein aktuelles Beispiel.
In einer Marktwirtschaft entscheiden sich natürlich auch der Preis und die Quellen der Energieversorgung am Markt - der Staat stellt wie immer nur die Rahmenbedingungen. Eine der Rahmenbedingungen, über die gesellschaftlicher Konsens herrscht, lautet: Wer Dreck macht, räumt ihn weg, so dass er keinen anderen stört.
Aus demselben Grund brauchte sich der Staat nicht in die zivile Nutzung der Atomkraft einzumischen, wie sie seit dem 2. Weltkrieg denkbar wurde. Er besann sich rechtzeitig auf Ludwig Erhard, bestand lediglich auf dem Dreckwegräumen und überließ den Rest dem Markt. Das ging dann so weiter:
Die Energiekonzerne mussten also zusichern, dass sie ihre abgebrannten Brennstäbe so endlagern können, dass sie niemandem gefährlich werden. Eine Nachfrage nach Endlagern enstand, und - wir haben ja Marktwirtschaft - wo eine Nachfrage, da auch ein Angebot. Findige Unternehmer gründeten Endlagerunternehmen, kauften Boden für Endlager, überzeugten die Anwohner und ließen sich die Lager vom Staat als endlagertauglich zertifizieren (auch so eine Rahmenbedingung).
Andere Unternehmer witterten das große Geschäft mit den Castortransporten aus den AKWs in die Wiederaufbereitungsanlagen und von dort in die Endlager. Sie bauten Castorbehälter, überzeugten die Anlieger der Strecken, heuerten ein paar Tausend Leute für die Security an und ließen sich die Absicherung der Transporte vom Staat zertifizieren (noch so eine Rahmenbedingung).
Nun haben wir ja Marktwirtschaft, und es trat ein ruinöser Wettbewerb zwischen den Endlagerbetreibern und den Castortransportern ein. Trotzdem gab es für die Energieversorger keine Schnäppchen. Die Kosten für die geologische Erkundung und Einrichtung der Endlager, die Zertifizierung beim Staat, und nicht zuletzt die umfangreiche Pro-Endlager- und Pro-Castortransport-Werbung inklusive der Entschädigungszahlungen an die erbosten Anwohner trieben die Kosten in astronomische Höhen.
Sowas regelt in einer Marktwirtschaft natürlich der Markt. Die Energieversorger rechneten sich also durch, was die Endlager, die Castortransporte, die Atomunfallversicherung und die PR für Atomkraft alles kosten würde, schlugen ein paar Milliarden berechtigte Gewinnerwartungen für ihr unternehmerisches Risiko drauf und kalkulierten den Atomstrompreis.
Allerdings regelt in einer Marktwirtschaft der Markt den Preis und nicht die Energieversorger. Findige Unternehmer rochen Lunte und investierten in alternative Wege zur Stromproduktion. Neben ein paar Überlegungen für das Verbrennen von fossilen Brennstoffen, die aufgrund der vom Staat verlangten Einzahlungen in Folgeschädenfonds durch CO2- und Feinstaubschäden marktwirtschaftlich untragbar wurden, machten schließlich erneuerbare Energien das Rennen. Nicht, weil sie kostenlos waren oder vom Staat gefördert worden wären, sondern weil ihre gesellschaftlichen Folgekosten, die gerechterweise jeder Unternehmer für sein Produkt von vornherein zu kalkulieren und abzuführen hat, einfach am geringsten waren.
Es war klar, dass die Bürger den billigeren Strom aus erneuerbaren Energien kaufen würden, weshalb die Energieversorger ihre Konzepte zur zivilen Nutzung der Atomkraft einstampften, die Endlager- und Castortransportunternehmen wegen der nunmehr fehlenden Nachfrage zumachten und sich erfolgversprechenderen Geschäften zuwandten.
Und so verhinderten die Marktwirtschaft und die einsichtsvollen Rahmenbedingungen der Politik die Einführung der Atomkraft in Deutschland.
Was könnte man jetzt noch gegen Marktwirtschaft sagen?