Montag, 13. März 2017

21 ... 7 (... 0?)

21 kleine Prozentelein, die wurden untersucht ... und da waren's nur noch 7. Sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund, ohne rot zu werden.

Denn die Stuttgarter Zeitung zitiert eben jenen mit den Worten, "[auch] bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit verdienten Frauen im Schnitt sieben Prozent weniger als Männer".

Oha!

7 Prozent!

Ich traue ja meinen Augen kaum. Zieht etwa Verstand in die öffentliche Debatte um die sogenannte Entgeltlücke ein? Behauptete doch der DGB gar unlängst noch, die Entgeltdifferenz läge bei 21%!

Ich habe mich im Blog hier schon mal über die 21% lustig gemacht, über die man nur sprechen kann, wenn man den Bericht des Bundesamts entweder gar nicht liest oder nur die ersten paar Sätze.

Jetzt hat wohl auch der DGB bemerkt, wie lächerlich man sich mit dem Rezitieren der 21% macht, und rudert auf 7% zurück.

Und schummelt natürlich weiter, denn "bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit" heißt eben auch "bei geringerer Berufserfahrung, geringerer Bereitschaft zu Vollzeit und Überstunden, geringerer Bereitschaft zu langen Arbeitswegen" usw.

Ich will das alles gar nicht werten. Jeder soll tun, was ihn glücklich macht, sich aber dann über die Konsequenzen nicht aufregen.

Ich will aber auf den klammheimlichen Übergang der öffentlichen Diskussion zwischen 21% und 7% hinaus.

Wo ist eigentlich das Mea Culpa der ganzen 21%-Apologeten geblieben, die jetzt auf der 7%-Welle mitreiten? Wer von denen hat öffentlich gesagt: "Okay, wir haben den Bericht nicht verstanden, oder nicht gelesen, und nur laut mitgeschrien"?

Lustig fand ich damals ein Interview der Stuttgarter Nachrichten mit der IG-Metall-Vizechefin Christiane Benner. Sie bewies, dass sie mit Recht diese Funktion ausfüllt, als sich der lobhudelnde Interviewer Matthias Schiermeyer von ihr eine Klatsche abholt, wenn er sich als Stichwortgeber versucht: "Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern beträgt insgesamt 21 Prozent", und sie ihn abfertigt: "Mir geht es um den ehrlichen Vergleich gleichwertiger Tätigkeit. Da haben wir eine bereinigte Entgeltlücke von sieben bis acht Prozent."

Zum Totlachen! Die vierte Macht als Fake-News-Poster, der sich von der Interviewten das Weltbild zurechtrücken lassen muss! Das hat was.

Und die Stuttgarter Nachrichten scheinen daraus gelernt zu haben, denn seitdem erscheinen nur noch Formulierungen indirekter Rede: "die bisher bestehende Lohnlücke von 21 Prozent sei ungerecht", so zitierend die Ministerin Schwesig, die das Memo zu den 21% offensichtich noch nicht bekommen hat.

Vielleicht sollte sie sich mal mit Frau Christiane Benner treffen? Wichtiger als ein Redakteur der Stuttgarter Nachrichten wäre mir eigentlich, dass eine Ministerin versteht, wo die 21% herkommen, und wo sie hingehören.

Oder sie liest mal die Stuttgarter Nachrichten, wo Klaus Köster schon im Januar die Ansichten der Ministerin aufs Korn nimmt, beispielhaft zerpflückt, und auch einen Finger in die echte Wunde legt:

"[Die] Erziehung von Kindern [ist] für die Familien [ein] ... organisatorischer Drahtseilakt." Den die Mütter ausbaden müssen, weil Vollzeitarbeit da nicht mehr drin ist, und die Väter auf ihre Weise auch, weil sie mit Kind und Frau in Teilzeit noch mehr arbeiten müssen als vorher.

Ein wirksames Gesetz wäre also, Arbeitgeber von Eltern zu verpflichten, beiden Elternteilen Teilzeit zu gewähren, damit sich beide gleich viel um die Kinder kümmern könnten und keiner einen Vor- oder Nachteil in der Karriereplanung haben muss.

Das wäre mal das Übel an einer seiner Wurzeln gefasst.

Aber ich bin über meinem Lob an die Stuttgarter Nachrichten etwas vom Thema abgekommen. Ich warte noch auf die öffentliche Entschuldigung derer, die früher die faule 21%-Botschaft verkündet haben (oder es immer noch tun).

Als Denkanstoß sei auf ein Detail verwiesen: während die völlig unbereinigte Lohnlücke in Baden-Württemberg bei 25% liegt, erreicht sie in den neuen Bundesländern 6%.

Oh, ach? Was machen denn die Ossis besser? Oder leben da fast keine Männer mehr?

Nein, die Erklärung ist einfach, dass die 21% strukturell eben nicht vorranging im Geschlecht zu verorten sind, sondern in anderen Faktoren, die ganze Genderfrage mit der Lohngerechtigkeit also gar nichts zu tun hat. Ich z.B. verdiene nur zwischen 0,3 und 0,4% von dem, was Martin Winterkorn im Jahr bekam, und da haben wir sogar das gleiche Geschlecht.

Schlagwort: Fadenschein

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Mittwoch, 8. März 2017

Männer schlechtreden mit den unverzichtbaren Qualitätsmedien

Unter dem selbstbewussten Titel "Sachsens Frauen arbeiten am meisten" wird in der SZ (und vielen anderen Medien, die von der dpa abschreiben) gehörig die Realität verbogen.

Die dpa war offensichtlich bei der Vorstellung des Gutachtens zum zweiten Gleichstellungsbericht im Bundesministerium für alles außer Männer dabei und hat sich von Ministerin Schwesig in die Notizbücher schreiben lassen, dass Frauen 52% mehr unbezahlte Arbeit als Männer übernehmen (die Sächsische Zeitung schreibt noch "täglich" dazu, was bei einem Prozentwert natürlich Unsinn ist. Schriebe man monatlich oder jährlich, wäre es genauso richtig.)

Übersetzt in absolute Zeit hieße das: Frauen leisten täglich (hier ist das wichtig) 87 Minuten mehr für unbezahlte Arbeit als Männer. 10 Stunden pro Woche! Für Ministerin Schwesig ein Grund zu behaupten, "bis zur Gleichstellung von Frauen und Männern sei es noch ein weiter Weg."

Sind die Männer wirklich so faul? Nein, natürlich nicht.

Nehmen wir mal die fast 60% der Männer, die abhängig beschäftigt sind. Der Gleichstellungbericht gibt zu: "Abhängig beschäftigte Männer leisten im Schnitt über 8 Stunden in der Woche mehr Erwerbsarbeit als abhängig beschäftigte Frauen." Und: "Die Erwerbsarbeitszeiten vieler Männer lassen nicht viel Zeit für Fürsorgeverantwortung zu."

Aha. Männer leisten weniger unbezahlte Arbeit, weil sie in der Zeit ... bezahlte Arbeit leisten. Die Schlawiner. "Moment", sagen Sie, "das erklärt aber nur 8 von den 10 Stunden".

Ja, weil sich die 87 Minuten Mehrarbeit sich auf ALLE Frauen beziehen - also auch auf die, die gar nicht arbeiten gehen. Und von denen gibt es viel mehr als Männer, denn Männer sind zu 82% erwerbstätig, Frauen aber nur zu 73% (und von denen machen nochmal mehr Teilzeit als Männer). Wie sieht es also wirklich mit der Zeitverteilung aus?

Geht man der Spur aus dem Gutachten zu seinen Quellen beim Statistischen Bundesamt nach, liest man Überraschendes, wie: "Auffällig ist, dass Väter in Haushalten mit Kind gut 2 Stunden pro Woche mehr arbeiten als Mütter." - Frauen 57 Stunden und Männer 59 Stunden (Erwerbstätigkeit: Frauen 17 Stunden, Männer 37; unbezahlt: Frauen 40 Stunden, Männer 22).

So sieht das aus, wenn man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Aber das wird man aus dem Mund einer Ministerin für alles außer Männer nicht hören, die dpa wird nicht nachfragen, und die armen Redakteure der vielen Abschreibermedien von dpa-Nachrichten werden es nicht recherchieren.

Seufz.

(Übung in Medienkompetenz: Natürlich muss man auch die Quellen des statistischen Bundesamts komplett lesen.)

Schlagwort: Fadenschein

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Sonntag, 25. Dezember 2016

Verdächtigen Sie mich nicht general!

Es ist etwas spät, aber nicht zu spät.

Nach dem Terroranschlag in Berlin kam es, wozu es natürlich kommen musste: zu Generalverdachten, und zu Warnungen vor Generalverdachten.

Dabei ist das eine so dämlich wie das andere.

Denn wenn sich ein Mensch hinstellt und sagt: "Ein Generalverdacht ist jetzt völlig fehl am Platz", ohne den Adressaten dieser Aussage zu nennen, dann tut er genau was?

Richtig, er stellt alle Menschen unter den Generalverdacht, andere unter Generalverdacht zu stellen.

Also auch mich. Dagegen wehre ich mich entschieden.

Nehmen Sie, als Beispiel, den Artikel von Dunja Ramadan. Sie schreibt, dass sie es satt hat, als Muslimin unter Generalverdacht zu stehen, und schreibt:

Wie können Menschen ernsthaft über die Flüchtlinge oder die Muslime sprechen?

Merken Sie was? Okay, ich füge ein einziges Wort hinzu:

Wie können die Menschen ernsthaft über die Flüchtlinge oder die Muslime sprechen?

Sich über den Generalverdacht beschweren, und im selben Satz alle Menschen unter den Generalverdacht stellen, eben jenes zu tun. Hybris oder keine Logikvorlesung im Studium gehabt?

Kleiner Tipp: Wenn man sich über etwas ereifert, hilft es immer, sich zu überlegen, womit die Gegenseite ihren Standpunkt begründet. Dann kommen solche Fauxpas seltener vor.

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

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