In seinem FAZ-Blog macht sich der Don Luft über den Standpunkt von Herrn Hubert Burda. Dieses Stöckchen nehme ich gern auf, denn der Text hat es tatsächlich in sich.
Nun, so lange es das von ihm geforderte "Leistungsrecht" noch nicht gibt, darf ich vielleicht zwei Zitate daraus anbringen: "Suchmaschinen ... profitieren überproportional von unseren teuer erstellten Inhalten. Doch wer die Leistung anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen. Dieses ökonomische Grundprinzip muss auch im digitalen Zeitalter mit seiner „Link-Ökonomie“ gelten." Und: "Wer also die Rechte der Kreativen im Netz wahren will, wer seine E-Commerce-Modelle davor schützen möchte, dass Suchmaschinen durch Plazierung entsprechender Suchergebnisse unserer Angebote umgehen, der ... hat den Bogen seiner Rechte deutlich weiter zu spannen. Dazu zählen: das Recht, im Netz von den Suchmaschinen nach objektiven, nachvollziehbaren Kriterien gefunden zu werden. Das Recht, an den Erlösen der Suchmaschinen ... zu partizipieren. ... Und damit verbunden die Garantie, dass Inhalte unserer Transaktionsangebote von Suchmaschinen nicht für eigene Geschäftsmodelle genutzt werden." Ach, lesen Sie den Artikel einfach selbst.
Ich hätte da eine Übersetzung der Zitate: "Da ist dieses Internet mit diesen Links, und andere haben das Prinzip der Links verstanden und verdienen jetzt Geld damit, aber ich will trotzdem was davon abhaben." Und, ganz unwidersprüchlich: "Wenn Leute etwas suchen, was ich mal online gestellt habe, dann muss Google verpflichtet sein, meine Seite ganz oben zu bringen, aber Google muss dafür natürlich bezahlen und darf auf der Seite keine andere Werbung bringen."
Genausogut könnte Herr Burda einen Anteil an dem Erlös für den Schokoladenriegel verlangen, den ich zusammen mit einem Verlagserzeugnis am Kiosk kaufe. Aber genausogut könnte Ferrero einen Anteil am Erlös des Verlagserzeugnisses verlangen, das ich zusammen mit dem Schokoriegel kaufe. Eine absurde Idee. Herr Burda glaubt offensichtlich, dass ich Google aufrufe, nur um seine Verlagsprodukte zu finden!
Natürlich profitieren Suchmaschinen von der Existenz von Inhalten - sonst gäbe es nichts zu suchen - doch ihr geschäftlicher Beitrag ist viel größer: sie indizieren beliebige Informationen im Netz, zwischen denen Burdas Beitrag vernachlässigbar ist. Wäre es nicht so und wäre Herr Burdas Logik wahr, dann könnte Google Schadensersatz für jeden nebensächlichen oder semantisch nicht aufbereiteten Artikel verlangen, den Burda ins Netz stellt, weil schlecht analysierbare flache Texte zu minderwertigen Suchergebnissen führen, die den Kunden missfallen und somit Googles Geschäft schädigen!
Das wäre genauso absurd wie Herr Burdas "Leistungsrecht": für freiwillig ins Netz gestellte Inhalte Geld von denen zu verlangen, die darauf indizieren und damit mehr Erfolg haben als er mit seinen Inhalten. Sprich, das Wasser ist kostenlos, aber nur Burda darf den Krug vom Brunnen wegtragen...
Wenn Herr Burda die neue Ökonomie des Internet verstanden hätte, würde er Google den Volltext seiner Artikel zum Indizieren zur Verfügung stellen, auf der verlinkten Seite aber nur den Aufmacher platzieren und für den Rest einen Cent-Betrag verlangen oder nur durch ein paar Klicks auf (Werbebanner auf) seinen eigenen Seiten zugänglich machen.
Oder er würde das Problem unternehmerisch lösen und sich an den Unternehmen beteiligen, die wirtschaftlich erfolgreicher sind als er - z.B. den Suchmaschinen.
Oder er könnte Google beim Risiko seines Geschäftsmodells packen - schließlich beruht es auf dem Altruismus (d.h. der freiwilligen Veröffentlichung von Inhalten) anderer - und ihm drohen, die Indizierung seiner Inhalte nicht mehr zuzulassen. Dann eben nicht, würde Google sagen und Burda-Erzeugnisse vom Index streichen. Schließlich ist Google ein freies Unternehmen und erfüllt mit der Suche keinen öffentlichen Auftrag. Burda könnte dann eine Interessengemeinschaft gleichgesinnter Verlagshäuser gründen und Google drohen, dass überhaupt keine Erzeugnisse des "Qualitätsjournalismus" mehr indiziert werden dürfen. Dann bewegt sich der Gigant vielleicht.
Oder er könnte Google verklagen, denn wenn Burda eine wirtschaftliche Leistung an Google erbrächte, wäre Google auch ohne ein obskures neues Recht zum einer adäquaten Gegenleistung verpflichtet.
All das wäre unternehmerisches Handeln. Doch Herr Burda verzichtet darauf. Vielleicht, weil er sich der Unsinnigkeit seiner Forderung im Grunde bewusst ist? Oder er möchte einfach nur, dass das Parlament ihm den Aufwand und das Risiko seiner Unternehmungen abnimmt? Oder scheitert er an der Anpassung an die Internet-Ökonomie? Zumindest letzteres drängt sich mir auf, wenn ich seinen Satz lese (frei übersetzt): "Anpassung besteht ... in der Einführung eines ... [Verbots, Information zu verlinken], verbunden mit der ... [Verpflichtung von Google, Burdas Artikel auf der ersten Ergebnisseite zu bringen]."[1]
[1] Hier das Original: "Diese Anpassung besteht insbesondere auch in der Einführung eines weiten Leistungsschutzrechtes, verbunden mit der Transparenz des Internets."> Bezug herstellen > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)
Zu meiner Schulzeit war es ein beliebtes Spiel in ausgefallenen Schulstunden, mich 50 Ziffern lange Zahlenreihen auswendig lernen und dan vor- und rückwärts aufsagen zu lassen. Eine Sache von ein paar Minuten, die immer mächtig Eindruck gemacht hat. Ob die anderen wirklich nicht dazu in der Lage gewesen wären, kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich haben sie sich nur angestellt und sind eher an einer mentalen denn einer mnemotechnischen Hürde gescheitert und haben sich gar nicht erst drangewagt.
Aber wie geht das Auswendiglernen denn? Heute glaube ich, dass es mit Mustern zu tun hat. Ich verrate Ihnen jetzt etwas, wofür mich die Nicht-Aspies immer auslachen. Ich merke mir gar keine Zahlen. Ich merke mir auch keine Buchstaben. Ich merke mir keine Töne. Ich merke mir Farben. Jeder Buchstabe, jede Zahl und jede Tonhöhe verbindet sich in meiner Vorstellung unweigerlich mit einer Farbe. Man nennt das Synästhesie, also unwillkürliche Sinnesempfindungen beim Auftreten eines völlig unabhängigen Impulses.
Nun geht es ganz einfach. Die Ziffernreihe teilt sich von selbst in Blöcke auf, die sich leicht merken lassen: Zahlen, die Abstufungen derselben Farbe sind, Zahlen in Komplementärfarben, aber auch Primzahlen, Zahlen aus dem Einmaleins oder der Quadratzahlenreihe, ein Stückchen aus der Fibonacci-Folge ... Das einzige, was ich wirklich lernen muss, sind die Übergänge von einem Muster zum anderen.
Natürlich hat die Methode auch Nachteile. Manchmal bringe ich die Reihenfolge der Farben durcheinander und damit auch die Telefonnummer oder den Familiennamen. Ich verwechsle die Vornamen von Leuten, wenn sie farblich ähnlich sind, und vergesse sie, wenn die Farben gar nicht zu ihrem Äußeren passen. Mein absolutes Gehör bringt mich zur Verzweiflung, wenn ein Tenor ziegelfarben statt weiß singt, Verzeihung, wenn er das hohe c'' zum b' heruntertransponiert. Ansonsten sind größere Schäden jedoch ausgeblieben. Schade nur, dass mein Vorname so eine seltsame Farbmischung hat.
Und hier noch ein Stück Anamnese: Alle meine Verwandten mit AQ über 32 sind auch Synästhetiker. Allerdings hat jeder eine andere Farbzuordnung. Niemand sonst in der Verwandtschaft hat ein absolutes Gehör, daher habe nur ich ein Farbempfinden bei Tönen, während einige eine multiple Synästhesie aufweisen: Für sie sind Zahlen nicht nur farbig, sondern auch räumlich zueinander angeordnet. Die Nicht-Aspies unter uns schütteln nur den Kopf darüber.
Und, was sind Sie für ein Typ?
Farbmitempfindung mit Buchstaben:
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Farbmitempfindung mit Zahlen:
1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
Farbmitempfindung mit Tönen (ab dem c'):
c cis des d dis es e f fis ges g gis as a ais b h
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Stellen Sie sich vor, morgen würde folgendes Gesetz erlassen: Tempolimit für Autos in Höhe einer Pferdegeschwindigkeit, und man darf nur noch zentral gesteuert auf vorgegebenen Trassen fahren. Ausgedacht von Leuten, die schon mal in einem Auto mitgefahren sind, sich dabei aber mächtig gefürchtet haben und sonst wie seit jeher mit dem Pferdewagen bzw. der Dampflok-Eisenbahn fahren. Sie betonten, dass die Führer der neuen Gefährte sich verfahren oder von miesen Zeitgenossen falsche Wege gewiesen bekommen könnten, tatsächlich wollte man jedoch die drohende Arbeitslosigkeit aller Hufschmiede bzw. Kohleschipper verhindern. Außerdem befürchtete man die Vereinsamung und moralische Verirrung der Individualtouristen, die nicht mehr in Postkutschen oder Eisenbahnabteilen zusammengepfercht werden.
Lächerlich? Gewiss! Aus der Retrospektive können wir feststellen, dass Betrug durch falsche Wegweisungen weitgehend unbekannt ist; wer sich nicht verfahren will, verwendet Straßenkarten oder ein Navigationsgerät; das Aussterben tausendjahrealter Berufe ist leicht zu verkraften angesichts des wirtschaftlichen Erfolges der Autoindustrie, und die Vereinsamung nennen wir heute Individualismus und bemerken im Gegenteil, dass die Menschen das Auto benutzen, um sich mit Freunden und Verwandten zu treffen, die sonst zu fern für einen Kurzbesuch wären.
Natürlich gibt es Regeln im Straßenverkehr. Wir haben den Führerschein, die StVO und die StVZO. Wir haben Verkehrsschilder, verkehrsberuhigte Zonen, Verkehrspolizei und Verkehrsüberwachung. Doch es bleibt im Maß und lässt uns nicht grundsätzlich an unserer bürgerlichen Freiheit zweifeln. Beim Führerschein zum Beispiel macht man eine Stichprobe in Theorie und eine in Praxis - und voilà, die Fahrerlaubnis ist Ihre bis an Ihr Lebensende. 99,9% Ihrer Geschwindigkeitsübertretungen werden nicht geblitzt, Ihr Auffahren auf eine Autobahn wird nicht protokolliert, und Deutschland ist keine zusammenhängende verkehrsberuhigte Zone.
Dagegen gibt es freigegebene Autobahnen, und die PS-Zahl dürfen Sie sich selbst aussuchen. Niemand verhindert, dass Sie Ihren Boliden nicht beherrschen, dass Sie die letzte Tankstelle verpennen, dass Sie zu dicht auffahren oder am Steuer einschlafen. Das geht, weil sich der Staat nicht anstellt: er stattet Sie mit einem Vertrauensvorschuss in Ihren gesunden Menschenverstand, Ihre Urteilsfähigkeit und Ihren Selbstschutzinstinkt aus und lässt Sie selbstverantwortlich in den Straßenverkehr eingreifen. Bestraft werden Sie erst, wenn wirklich was passiert ist oder Sie erwischt werden. Und wenn Ihr freundlicher Kfz-Händler Sie mit einem Montagsauto übers Ohr haut oder Ihr Versicherungsfritze Ihnen zu hohe Beiträge für die HPflV abknöpft, dann regeln Sie das natürlich nicht mit dem Verkehrsrecht.
100 Jahre später stellt man sich dagegen ungeheuer an, wenn es ums Internet geht. Genau wie das Auto fördert es den Individualverkehr, löst erbärmlich langsame und restriktive Formen der bisherigen (Informations-)Fortbewegung ab und zeitigt eine Schwemme von Erfindungen, die ihm vorrangig selbst wieder zugute kommen. Findige Leute stellen sich um oder erarbeiten neue Geschäftsmodelle, um an der Wertschöpfung der Entwicklung teilzuhaben. Die Jüngeren und Aufgeschlossenen unter uns halten uns an eine Quasi-StVO im Internet: Wir achten auf Zertifikate auf Shopping-Sites. Wir tippen die URL unserer Onlinebank per Hand in die Adresszeile. Wir schreiben keine sensiblen Informationen in unverschlüsselte E-Mails. Wir meiden virenverseuchte Sex-Sites. Wir öffnen keine Dateianhänge mit der Endung ".bat". Wir trauen weder dem verzweifelten nigerianischen Banker noch dem krebskranken Kevin noch überhaupt irgendwem im Netz wirklich über den Weg. Bei Anwendung desselben Quäntchens Menschenverstands würde einem im Straßenverkehr durch irgendeinen Deppen mehr passieren als das im Web jemals möglich wäre.
Aber ein paar Pferdekutschen- und Eisenbahnfahrer haben mächtig Angst. Sie verstehen das Konzept des Internets nicht, sie können seine Perspektiven nicht gegen zu erwartende Verluste abwägen, und sie missachten die menschliche Veranlagung, die durch das Internet plötzlich in geballtem Maße an die Oberfläche tritt.
- Sie wollen uns billigst herzustellende digitale Tonträger verkaufen und sind entsetzt, dass wir digitale Daten wie digitale Daten behandeln.
- Sie wollen, dass Bewertungs-Seiten wie Spickmich nur mit "Widerspruchs-, Gegendarstellungs- und Transparenzrecht" existieren dürfen.
He, es gibt sowas wie das WWW, da kann man Gegendarstellungen nach Herzenslust veröffentlichen. Es gibt sowas wie Bewertungskonsumenten, und die stimmen über intransparente Bewertungen schon von selbst mit den Füßen, ääh, mit dem Mausklick ab. Und es gibt sowas wie das Real Life, da kann man am besten für positive Bewertungen sorgen.
- Sie wollen, dass wir uns alle weiter liebhaben, obwohl das schon immer eine Illusion war - ganz oben in Politik und Wirtschaft wie ganz unten in den Familien. Jetzt kommt die ungeschminkte Wahrheit in Form von Kindesmissbrauchsbildern, Polit-Satireseiten und Phishing-Sites an die Oberfläche des Netzes, und sie möchten ein weißes Tuch drüberlegen oder ein Schild davorstellen, damit keiner hinguckt.
Aber holla, das Internet war noch nie ein rechtsfreier Raum. Was bisher verboten war (KiPo, Betrug) bleibt auch ohne spezielles Internetrecht verboten. Die Impressumspflicht bzw. die Domainregistration reichen zur Strafverfolgung genauso aus wie ein Kfz-Kennzeichen. Oder verlangt irgendein Gesetz getönte Scheiben, damit kein Pädophiler beim Kindesmissbrauch im Auto zusehen kann? Und was erlaubt ist, bleibt erlaubt. Satire und Meinungsäußerung waren noch nie der Wahrheit und dem Anstand verpflichtet. Das Netz hat sich mit der Netiquette und sowas wie Websites, deren Besuch man auch bewusst bleiben lassen kann, längst selbst geregelt. Wenn ich zum Frankfurter Hauptbahnhof gehe, muss ich an Nutten und Fixern vorbeilaufen. Im Netz sage ich "frankfurt.de" und bleibe unbehelligt. Wo ist jetzt die Gefahr für mein Kind?
Ich wäre für eine Bildungsoffensive. Internetführerschein für jeden! Dann können wir uns die ganze Sperr-, Schutz- und Angstdiskussion sparen, genau wie die Ressourcenverschwendung, die dahintersteht. Jeder bleibt für sein Handeln selbst verantwortlich und bekommt nur dann auf die Finger, wenn er gegen geltendes Recht verstößt und dabei erwischt wird. Niemand wird von vornherein unter Generalverdacht gestellt. Wir bestrafen weiter das Bombenzünden und den Serverhack, nicht die Bauanleitung oder den Besitz des Portscanners (und verlangen auch vom "Staat" darüberhinaus nichts). Und das beste: mit einem genauen Wissen der Funktionsweise von Netz und Netzgesellschaft machen wir uns fit für die gesellschaftlichen und ökonomischen Umwälzungen, die es sowieso gibt. Stellt Euch nicht so an.
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