Sie sitzen gerade vor einem Display. Machen Sie bitte ein Experiment. Sehen sie es sich von der Seite an. Stehen Sie dafür auf, wenn es sein muss. Das Teil ist nur wenige Millimeter tief. Und dahinter ist Leere. Was Sie auf dem Display sehen, ist Illusion.
Sehen Sie, da gab es vor kurzem eine konzertierte Aktion von Schauspielern, die ihrem Unmut über den Umgang mit der Pandemie in Deutschland Luft zu machen schienen.
Die spielen natürlich mit einer Illusion: nämlich, dass wir sie "kennen", nur weil wir sie in ein paar Filmen und Talkshows gesehen haben. Und mal ehrlich: könnten Sie es sich verkneifen, ihre Meinung zu veröffentlichen, wenn Ihnen 10 Millionen Menschen zuhören? Sie lesen gerade ein Blog, dessen Verfasser keine Ahnung hat, wer ihn liest - und dennoch veröffentlicht.
Zwischenzeitlich haben einige der Porträtierten schon widerrufen, und das mag einen Rückschluss darauf zulassen, wer sich da wirklich Gedanken macht und wer mit Stroh im Kopf nur "Adabei" sein wollte. Auch das ist eine Illusion: bekannte Menschen automatisch für klüger zu halten als unbekannte.
Illusion ist auch die Öffentlichkeit dieser Aktion. Es ist völlig müßig herauszufinden, welchen Kanal die Fünfzig für ihre Veröffentlichung gewählt haben. Sie sind alle austauschbar, und man mag diese Kommunikationsblasen gut mit einer Vernissage vergleichen können: ein belangloses Treffen einer eklektischen Gruppe überheblicher Leute, die, aus Angst davor, ihre Bedeutungslosigkeit könne aufgedeckt werden, sich in ihrer Distinguiertheit lächerlich machen. Das trifft auf die zu, die dort veröffentlichen, wie auch für die, die ihnen dort beipflichten oder widersprechen.
Sie haben wahrscheinlich davon erfahren, weil sie in einem Medium davon gelesen haben, und da lauert schon die nächste Illusion: dass nämlich der Gegenstand eines Medienberichts doch wichtig genug sein sollte, gemessen an der Zeit, die er uns stiehlt, während wir ihn konsumieren. Nun, als Blogleser wissen Sie selbst, wie wenig das Medieninteresse mit der Wirklichkeit zu tun hat, à la "Mann beißt Hund" und so. Sie können ja mal "Soko LinX Eilenburg" in eine Suchmaschine eingeben und überlegen, ob der Medienaufschrei um diesen Vorfall gerechtfertigt war.
Nun, die Pentekonta haben einiges an Widerspruch erfahren, und warum auch nicht. Meinungsfreiheit gilt für alle. Solange keine Seite der Illusion aufsitzt, eine Meinung sei die Wahrheit - sollen sie sich doch fetzen. Vielleicht springt dabei ja doch noch das eine oder andere literarische Nugget heraus.
Als Informatiker aber hätte ich schon noch eine Anmerkung. Es gab eine Zeit, in der sich Programmierer als Künstler betrachteten und ihre Programme folglich als Kunst. Kunst zu kritisieren ist nicht einfach, denn wer wäre dazu berufen? Heute sind wir zum Glück weiter. Informatiker sind Ingenieure: was wir bauen, basiert auf nachvollziehbaren Prozessen, durch die Kritik versachlicht wird. Das heißt, sie wird nicht im Versuch formuliert, den Autor abzuwerten, sondern das Produkt aufzuwerten.
Das begreift der typische Egomane allerdings nicht. Er führt sich auf wie die SED oder NSDAP, wenn der (Volks-)Genosse etwas zu verbessern vorschlug. Wollen Sie damit sagen, die Partei habe sich geirrt?!
Ich war versucht, dieses Beispiel auf den Sturm anzuwenden, den die Pentekonta verursacht haben: Sie werfen den Medien und der Regierung was vor und werden dafür in die rechte Ecke gestellt.
Aber dann habe ich mir das überlegt.
Es ist nur eine Illusion. Beide Seiten spielen nur Theater, und Sie haben für Ihren Sitzplatz als Zuschauer nicht bezahlen müssen; Sie können einfach aufstehen und gehen. Schauen Sie sich auf dem Weg nach Draußen nochmal das Display von der Seite an. Dahinter ist Leere. Es betrifft uns nicht wirklich. Beschäftigen wir uns lieber mit dem und denen, was uns und denen wir wichtig sind.