Donnerstag, 5. November 2020

Hallo Einheit

Können Sie sich noch an die Einheitspartei erinnern? Bei den Ossis gibt es sie jetzt seit 31 Jahren nicht mehr, bei den Wessis schon 75 Jahre.

Offensichtlich ist das eine zu lange Zeit, denn die Einheitsmeinung findet zumindest im öffentlichen Diskurs schon wieder arg viele Unterstützer.

So interviewt die Tagesschau genüsslich einen Angestellten einer Stiftung (die aus Bundesmitteln finanziert wird, daher völlig glaubwürdig behauptet, "unabhängige Politikberatung" zu leisten) - zur Präsidentenwahl 2020 in den USA.

Die Fassunglosigkeit der ARD tropft aus allen Zeilen. Corona, Staatsverschuldung, Lügen - den Trump dürfte doch eigentlich keiner wählen?

(Wer leistet der ARD eigentlich psychologischen Beistand, wenn sie bemerkt, dass es Corona, Staatsverschuldung und lügende Politiker auch in Deutschland gibt?)

Der Interviewte eiert dazu ziemlich herum, bis er endlich das Gottseibeiuns ausspricht: Das Wahlergebnis zeige deutlich, die USA seien in der Mitte zerrissen.

Da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen. - Was natürlich auch an dem Dauerfeuer der Medien liegen kann, die Trump die letzten 4 Jahre wie einen zufällig gelandeten Usurpator vom Mars behandelt haben anstatt als Präsidenten, den knapp die Hälfte der Wahlberechtigten in den USA immerhin gewählt haben.

Auch dieses Jahr war er für knapp die Hälfte der bessere Kandidat.

Woraus folgt: die deutschen Medien sind einfach nicht (mehr) demokratiefähig.

Die einfache Antwort auf die Frage, wieso das Volk den oder jenen wählt, ist: weil es der Souverän ist. Das Volk darf das. Es gibt keine "richtige" oder "falsche" Entscheidung bei der Stimmabgabe, sondern nur die originäre des Wählers. Die Überlegung auch nur anzustellen, es könne doch nur einen richtigen Entschluss geben, macht jedes Medium wertlos als vierte Gewalt.

Wer eine "Spaltung" beklagt, weil die Hälfte der Bevölkerung die eine und die andere Hälfte eine andere Überzeugung hat, ist ein Extremist, kein Demokrat.

In Deutschland arbeiten Parteien laut Verfassung an der Willensbildung des Volkes mit - wer eine Spaltung dieses Willens beklagt, beklagt damit den Mehrparteienstaat und ist damit schon ein Verfassungsfeind. Solche Leute sitzen bei uns aber schon im ARD-Hauptstadtstudio - zu erinnern sei an die verächtlich gemeinte Aussage, nur die AfD setze auf Trump. Ja, und? "Jederrr orrrdentliche Deutsche ist gegen Trrrump", ist das die Devise (wahlweise mit österreichisch oder russisch rollendem "r" gesprochen)?

Jetzt denken Sie einfach mal einen Schritt weiter. Wenn ein Medium wie die ARD schon die Meinung der Hälfte der US-amerikanischen Wähler unglaublich findet - was darauf fußt, dass sie diese Leute für vier Jahre ignoriert hat - welche Hoffnung haben Sie dann, dass die ARD sich mit der Meinung der Deutschen unvoreingenommen abgibt?

Pathologisch ist mittlerweile auch der Narzissmus, der sich durch die veröffentliche Meinung in Deutschland zieht. Ein Gutteil der Ablehnung von Trum fußt auf der Beleidigung, dass seine Administration die Europäer nicht mehr ernst genommen hat. Das ist für sich schon ein Problem, denn nur derjenige, der seine eigene Unterlegenheit verinnerlicht hat, bemisst seinen Wert daran, wie viel Aufmerksamkeit ihm der Überlegene zukommen lässt. Wie kommen solche Verlierer darauf, dass ein anderer - immer noch Amerikaner - mit ihnen plötzlich auf Augenhöhe umgehen wird?

Zurück zum Interview.

Die ARD stellt ziemlich am Anfang zum Gebaren von Trum die Frage: "Ist das noch demokratisch?"

Dass die ARD das nicht selbst beurteilen kann, lässt einen ahnen, wie weit es dort mit dem Verständnis darüber her ist, was Demokratie ist.

Der Interviewte bügelt der ARD dann auch ziemlich eins über, mit einer Aussage, die ich so zusammenfassen möchte: Wenn du deine demokratischen Institutionen nicht mutwillig delegitimierst, dann ist eine demokratische Wahl kein Problem. Die ARD - ganz in Identitätspolitik verfangen - glaubt dagegen, von Trump nominierte Verfassungsrichter würden automatisch für Trumps Anliegen stimmen.

Das ist eine würdelose Beleidigung sowohl der Verfassungsrichter als auch des Verfassungsgerichtes selbst. Es bedeutet andersherum, dass die ARD von (auch deutschen) Verfassungsrichtern identitätspolitisch motivierte Entscheidungen erwartet, ja ihr solche überhaupt nicht auffallen würden, solange es die "richtige" Politik ist.

Wie weit es mit der Achtung demokratischer Institutionen (wie Wahlen) in Deutschland her ist, haben wir ja erst kürzlich beobachten dürfen.

So weit in der Einheit sind wir schon. Um Demokratieprobleme zu finden, brauchen wir nicht über den großen Teich zu schauen.

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