Die KiTas sind zu. Die Erzieherinnen streiken. In ihren Augen bekommen sie nicht genug Geld, und ihr Job ist ihnen zu stressig.
Nun ja, mir sind kaum Berufe bekannt, deren Vertreter nicht dasselbe von sich behaupten. Mit dieser Argumentation könnten wir einfach jedem das Gehalt erhöhen, und dann wären wieder alle unzufrieden, weil sie nicht mehr wertgeschätzt werden als jeder andere.
Doch gerade um die Wertschätzung geht es bei dem Streik, der mit dem Argument geführt wird: Erzieherinnen kümmern sich um unsere Kinder, und die sind unsere Zukunft, und das sollte uns schon mehr Geld wert sein.
Nur: Was hat das Gehalt einer Erzieherin mit der Zukunft meines Kindes zu tun? Wird sie mein Kind so lange schlecht betreuen, bis sie mehr Geld verdient? Ein öffentliches Bekenntnis zur Schlechtleistung also? So jemand hätte seinen Beruf verfehlt und gehörte gekündigt. Genau wie ich, wenn ich nur noch minderwertigen Programmcode schreiben würde, um meinen Chef zu erpressen.
Aber gesetzt den Fall, dass der Streik Erfolg hat: Ein überdurchschnittlich bezahlter Job zieht Leute an, die ihn wegen des Geldes ergreifen - nicht weil sie sich für das Fortkommen der Kinder interessieren. Das braucht niemand.
Kurz: zwischen Qualität der Erziehung und dem Gehalt der Erzieherinnen gibt es keinen kausalen Zusammenhang.
Anders sieht es mit dem Stress aus. Wenn eine Erzieherin sich um 6 oder 10 Kinder kümmern muss, dann bleibt für jedes Kind nur ein Bruchteil der Zeit und Aufmerksamkeit, die es zu Hause bekommen könnte, wenn es dort von den Eltern betreut würde. Dass die Erzieherin einen pädagogischen Abschluss hat, spielt hierbei kaum eine Rolle: das Konzept der Qualitätszeit ist mittlerweile widerlegt (welches besagte, Erfolg sei ein Produkt aus Qualität und Zeit, so dass man mit Kindern die Hälfte der Zeit verbringen könne, würde sie nur mit doppelt wertigen Aktivitäten gefüllt).
Erzieherinnen müssen also nicht besser bezahlt werden - es müssen mehr eingestellt werden! So, dass möglichst ein Erzieher auf drei oder zwei Kinder kommen.
Alle winken ab: zu teuer. So viel ist die Zukunft dann noch nicht wert. Aber es stimmt: Für die KiTa-Kosten eines Kindes stehen schon jetzt Zahlen von 1000-1300 EUR monatlich im Raum, plus Beteiligung der Eltern. Gäbe es dreimal so viele Erzieherinnen, wären wir schnell bei 4000 EUR pro Kind und Monat. Das sind ja keine fiktiven Kosten, die fielen tatsächlich an, und würden sie auf die Verursacher umgelegt, wäre es ganz schnell vorbei mit der institutionalisierten Kinderfremdbetreuung. Für das Geld könnte ich mir eine private Erzieherin nach Hause holen. Oder daheimbleiben und mir die Doppelbelastung Familie-Beruf sparen.
Genau hier liegt der eigentliche Grund für den Streik der Erzieherinnen. Das Problem ist nicht, dass sie zu wenig Geld verdienen, sondern, dass die Betreuung die Eltern zu wenig kostet (nämlich eine Größenordnung weniger als das, was sie tatsächlich wert ist). Das ist dasselbe wie mit dem Atomstrom. Nur - mit solchen Schlussfolgerungen können Sie natürlich keine Unterstützung für Ihren Arbeitskampf erwarten. Aber dafür haben Sie ja mich ;-) Ich verhandle selbst über mein Gehalt und brauche daher keine oberflächlich eingängigen, aber unlogischen Argumente zu fördern.