In der Informatik gibt es verteilte Systeme, die funktionieren immer noch, wenn ein Drittel der Teilnehmer versuchen, das System zu sabotieren.
Das ist genial. Stellen Sie sich das im echten Leben vor: 33% aller Richter wären bestechlich, 33% aller Architekten bauten einsturzgefährdete Häuser, 33% aller Autofahrer würden sich nicht an die Verkehrsregeln halten ... also in Etwa Verhältnisse wie in Moldawien.
Aber nicht wie in Deutschland. Deshalb sagte ein Professor einmal, in Westeuropa sei ein gesellschaftliches System gut, wenn es 5% Arschlöcher ertragen könne. Dem stimme ich zu. So viele kenne ich persönlich.
Vielleicht wussten Sie aber nicht, dass unsere Gesellschaft 5% Arschlöcher vertragen kann, sondern glauben, dass man die alle ausrotten müsse. Alle Terroristen, zum Beispiel, oder alle Pädophile, oder den einen Irren, der auf Autobahnen um sich schoss.
Allerdings gibt es diese Bereinigung nicht umsonst. Dazu müssen alle Kfz-Kennzeichen auf allen Autobahnen gelesen, alle Aufenhaltsorte aller Handys erhoben, alle Telefonverbindungen und angesurften Internetadressen gespeichert werden.
In Deutschland starben 2010 jährlich schätzungsweise 1.500 Menschen am „Krankenhauskeim“ MRSA, 944 Personen starben durch Ärztefehler, 3.648 kamen im Straßenverkehr ums Leben. Das sind die „Arschlöcher“ an Todesfällen, aber sie liegen weit unter dem Promillebereich aller Krankenhausaufenthalte, Behandlungen und Verkehrsbewegungen, und daher können wir damit leben.
Aber mit den Terroristen, deren Anzahl ebenfalls nicht höher als im Promillebereich liegt (Todesfälle durch Terroristen in Deutschland, 2010: 0), mit denen können wir nicht leben? Um sie aufzuspüren, muss jeder unserer Wege, jeder unserer Kontakte, jeder ungewollt preisgegebene Aspekt meiner Lebensgeschichte aufgezeichnet und gespeichert werden?
Ja, sagen die Befürworter. Wenn ich nichts ungesetzliches täte, hatte ich nichts zu verbergen.
Mit Verlaub, das ist Schwachsinn. Drehen wir das Argument einfach um. Der Staat handelt doch stets gesetzlich oder? Also dürfte es über staatliches Handeln nichts zu verbergen geben? Denkste. Es wird verheimlicht, was geht - und notfalls mit der „Nationalen Sicherheit“ begründet. Jemand könnte die Information missbrauchen.
Genau dasselbe nehme auch ich für mich in Anspruch. Um meiner persönlichen Sicherheit willen möchte ich nicht, dass alles über mich aufgedeckt, geschweige denn dann auch noch gespeichert wird. Jemand könnte die Information missbrauchen.
Und das ist der zweite Punkt. Zwischen mir und den Schnüfflern gibt es ein drastisches Wissens- und Machtgefälle zu meinen Ungunsten. Ich kann keinem Geheimdienst Kinderpornos unterschieben, um ihn zu kompromittieren - wohl aber er mir. Keinem Gericht würde daran gelegen sein offenzulegen, dass mir ein Geheimdienst Unrecht getan hat, aber es kann mich sehr wohl für solche Vermutungen als paranoid in die Klapse sperren. Hätte ich vor einem Monat laut gesagt, die USA und Großbritannien läsen alle Internetverkehrsdaten mit - besonders die von Deutschen - hätte man mich als übelsten Verschwörungstheoretiker dargestellt. Jetzt kommt einer und beweist es - da wird abgestritten, dass die gesammelten Daten zu meinem Nachteil verwendet werden. Es müsste mir erst so was nachweisbar passieren, damit man mir es vielleicht glaubte.
Soweit darf es nicht kommen. Ein gesellschaftliches System, dass möglichst alle meine Daten sammelt und für möglichst lange speichert, ja diese Daten sogar nach Herzenslust fälschen, löschen oder erweitern kann, und gegen das ich mich weder schützen noch wehren kann - das ist kein System, das mit 5% Arschlöchern noch funktioniert. Nicht mal mit einem einzigen Arschloch kann es funktionieren, denn schon dieses kann unermesslichen Schaden anrichten.
Niemand von uns weiß, wer welche Daten über mich und Sie für wie lange erhebt, speichert, auswertet, fälscht, und zu unserem direkten oder indirekten Nachteil verwendet. Die jüngsten Vorkommnisse haben uns das verdeutlicht, und sie führen zu einer nicht genau definierbaren Angst vor den unbekannten Menschen, die zu einem unbekannten Zeitpunkt uns auf unbekannte Weise Böses antun wollen.
Das ist die Angst vor Terrorismus.
Und wer sind die Terroristen?
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