Mittwoch, 3. März 2010

Darwins Zahnspange

In einer Radiosendung höre ich, wieso wir Zahnspangenkinder und Probleme mit den Weisheitszähnen haben.

Die Evolution habe uns mit einem Kiefer ausgestattet, der nur durch Beanspruchung wächst. Als Steinzeitmenschen haben wir auf Graswurzeln und zähem Fleisch rumgekaut, starke Kiefer bekommen und damit genügend Platz für alle 32 Zähne.

Unsere Pommes und Burger sind dagegen Flüssignahrung; der Kiefer bleibt klein, und die Zähne wachsen schief. Fazit: die Gesellschaft entwickelt sich zu schnell für die arme Evolution, die nicht hinterherkommt.

Ich bin Informatiker und arbeite in der Forschung. Würde ich so arbeiten wie wer-auch-immer-sich-das-ausgedacht-hat, dann beziehe ich in einem halben Jahr Hartz IV. Klar, auch wir arbeiten mit Hypothesen ("Ansatz" in der Mathematik), aber sobald sie nicht mehr überzeugt, gehen wir ihr entweder auf den Grund oder lassen die Finger davon. Eine zweifelhafte These als Grundlage für eine neue Theorie zu verwenden macht mich zum Gespött unter Kollegen.

Okay, den Fauxpas "die Evolution hat ... gemacht" lassen wir mal gelten; es war eine populärwisschenschaftliche Sendung, da kann man darüber hinwegsehen, dass dem abstrakten Lehrbegriff "Evolution" eine Kraft zur Wirkung gegeben wird. Hat sie nicht.

Aber dann: Die Evolution ist so klug (klüger als alle unsere Ingenieure), weil sie einen Kiefer geschaffen hat, der sich unter Verwendung verbessert (!), und gleichzeitig so dumm, dass sie kein Mittel hat, die Zähne, die aus dem Kiefer wachsen, an seine Größe anzupassen.

Evolution ist so klug, nur Angepasste lange leben und zur Fortpflanzung zuzulassen, und gleichzeitig so dumm, sie noch länger leben zu lassen, sodass die Fortpflanzung stattfindet, ehe unsere Alterskrankheiten auftreten, deren Ausbreitung sie eigentlich verhindern sollte.

Evolution ist so klug, dem Hai eine strömungstechnisch wundervolle Schuppenstruktur zu geben, und gleichzeitig so dumm, diesen Aufwand zu betreiben, weil all die anderen Fische auch ohne diese Struktur prächtig gedeihen.

Evolution ist so klug, die weniger Angepassten auszurotten, und dann so dumm, durch die Erfindung der Photosynthese auch die besonders gut (an die anaerobe Umgebung) Angepassten auszurotten.

Evolution ist so klug, den Menschen mit aufrechtem Gang, Sprache, großem Gehirn und Laptop hervorzubringen, und so dumm, ihm ein Bewusstsein zu geben, mit dem er seine Umgebung so gestalten kann (Pommes!), dass die Mechanismen der Evolution versagen. Übrigens zeigt unsere zivilatorische Leistung, das Überleben von Minderheiten und Behinderten unter hohem Ressourcenaufwand zu sichern, anstatt nur die Besten überleben zu lassen, dass wir von den Ansätzen der Evolution nicht wirklich überzeugt sind.

Das war ein Bruchteil aller Widersprüche in der Evolution (ich schreib vielleicht mal mehr drüber). Und jetzt kommt der Wissenschaftler durch und sagt: solange diese Widersprüche existieren, löse sie entweder auf (z.B. durch Wiederholung der Evolution - viel Spaß ;-), oder lass die Finger davon. Es ist eine Theorie, aber bitte nichts, was wir als gegeben voraussetzen dürfen.

Natürlich hat auch der Gegenentwurf mit Gott seine Widersprüche. Der Intellekt muss sie wie der Zufall daran messen lassen, warum er Kreaturen schafft, die imstande und immer wieder gewillt sind, sich selbst zu vernichten, und die Frage ist nicht einfach.

Unbequemerweise steht der Spielstand "Gott : Evolution" sehr oft unentschieden. Wem es z.B. zu flach ist, einfach Gott vorauszusetzen, und kontern möchte: "Und wo kommt der her?", dem sei gesagt, dass für die Evolution dasselbe gilt. Da kamen der Übergang von unbelebter zu belebter Natur, nichtatmenden zu atmenden, nichtsexuell fortpflanzenden zu sexuell fortpflanzenden, bewusstseinslosen zu bewussten Lebenwesen auch ohne Vorwarnung und aus dem Nichts. Genau wie Gott. Unentschieden.

Dann haben wir in den Ingeniurwissenschaften noch Ockhams Rasiermesser: von zwei möglichen Erklärungen für ein Phänomen, verwirf die komplexere. Hier gewinnt Gott klar nach Punkten.

Und wenn ich ehrlich bin und mir die Technik, Mathematik, Vielfalt, Selbstheilungskraft und übermütige Farben- und Formfroheit des Existierenden ansehe, möchte ich wirklich dazu tendieren, einen Intellekt zu erkennen, der sich im Spaß an seinen eigenen Fähigkeiten auslässt, und nicht eine verbissene Evolution, deren Glück sich in der Fortpflanzung eschöpft und alles weniger Effiziente zerstört.

Aber dass kommt vielleicht nur von der Forschung, in der ich arbeite.

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

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