Mittwoch, 8. März 2017

Männer schlechtreden mit den unverzichtbaren Qualitätsmedien

Unter dem selbstbewussten Titel "Sachsens Frauen arbeiten am meisten" wird in der SZ (und vielen anderen Medien, die von der dpa abschreiben) gehörig die Realität verbogen.

Die dpa war offensichtlich bei der Vorstellung des Gutachtens zum zweiten Gleichstellungsbericht im Bundesministerium für alles außer Männer dabei und hat sich von Ministerin Schwesig in die Notizbücher schreiben lassen, dass Frauen 52% mehr unbezahlte Arbeit als Männer übernehmen (die Sächsische Zeitung schreibt noch "täglich" dazu, was bei einem Prozentwert natürlich Unsinn ist. Schriebe man monatlich oder jährlich, wäre es genauso richtig.)

Übersetzt in absolute Zeit hieße das: Frauen leisten täglich (hier ist das wichtig) 87 Minuten mehr für unbezahlte Arbeit als Männer. 10 Stunden pro Woche! Für Ministerin Schwesig ein Grund zu behaupten, "bis zur Gleichstellung von Frauen und Männern sei es noch ein weiter Weg."

Sind die Männer wirklich so faul? Nein, natürlich nicht.

Nehmen wir mal die fast 60% der Männer, die abhängig beschäftigt sind. Der Gleichstellungbericht gibt zu: "Abhängig beschäftigte Männer leisten im Schnitt über 8 Stunden in der Woche mehr Erwerbsarbeit als abhängig beschäftigte Frauen." Und: "Die Erwerbsarbeitszeiten vieler Männer lassen nicht viel Zeit für Fürsorgeverantwortung zu."

Aha. Männer leisten weniger unbezahlte Arbeit, weil sie in der Zeit ... bezahlte Arbeit leisten. Die Schlawiner. "Moment", sagen Sie, "das erklärt aber nur 8 von den 10 Stunden".

Ja, weil sich die 87 Minuten Mehrarbeit sich auf ALLE Frauen beziehen - also auch auf die, die gar nicht arbeiten gehen. Und von denen gibt es viel mehr als Männer, denn Männer sind zu 82% erwerbstätig, Frauen aber nur zu 73% (und von denen machen nochmal mehr Teilzeit als Männer). Wie sieht es also wirklich mit der Zeitverteilung aus?

Geht man der Spur aus dem Gutachten zu seinen Quellen beim Statistischen Bundesamt nach, liest man Überraschendes, wie: "Auffällig ist, dass Väter in Haushalten mit Kind gut 2 Stunden pro Woche mehr arbeiten als Mütter." - Frauen 57 Stunden und Männer 59 Stunden (Erwerbstätigkeit: Frauen 17 Stunden, Männer 37; unbezahlt: Frauen 40 Stunden, Männer 22).

So sieht das aus, wenn man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Aber das wird man aus dem Mund einer Ministerin für alles außer Männer nicht hören, die dpa wird nicht nachfragen, und die armen Redakteure der vielen Abschreibermedien von dpa-Nachrichten werden es nicht recherchieren.

Seufz.

(Übung in Medienkompetenz: Natürlich muss man auch die Quellen des statistischen Bundesamts komplett lesen.)

Schlagwort: Fadenschein

Bezug herstellen   > Mir etwas anheimstellen (0 Kommentare)



Sonntag, 25. Dezember 2016

Verdächtigen Sie mich nicht general!

Es ist etwas spät, aber nicht zu spät.

Nach dem Terroranschlag in Berlin kam es, wozu es natürlich kommen musste: zu Generalverdachten, und zu Warnungen vor Generalverdachten.

Dabei ist das eine so dämlich wie das andere.

Denn wenn sich ein Mensch hinstellt und sagt: "Ein Generalverdacht ist jetzt völlig fehl am Platz", ohne den Adressaten dieser Aussage zu nennen, dann tut er genau was?

Richtig, er stellt alle Menschen unter den Generalverdacht, andere unter Generalverdacht zu stellen.

Also auch mich. Dagegen wehre ich mich entschieden.

Nehmen Sie, als Beispiel, den Artikel von Dunja Ramadan. Sie schreibt, dass sie es satt hat, als Muslimin unter Generalverdacht zu stehen, und schreibt:

Wie können Menschen ernsthaft über die Flüchtlinge oder die Muslime sprechen?

Merken Sie was? Okay, ich füge ein einziges Wort hinzu:

Wie können die Menschen ernsthaft über die Flüchtlinge oder die Muslime sprechen?

Sich über den Generalverdacht beschweren, und im selben Satz alle Menschen unter den Generalverdacht stellen, eben jenes zu tun. Hybris oder keine Logikvorlesung im Studium gehabt?

Kleiner Tipp: Wenn man sich über etwas ereifert, hilft es immer, sich zu überlegen, womit die Gegenseite ihren Standpunkt begründet. Dann kommen solche Fauxpas seltener vor.

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

Bezug herstellen   > Mir etwas anheimstellen (1 Kommentar)



Donnerstag, 15. Dezember 2016

Fake News mit Fake News austreiben

Gestern im SWR2-Journal am Morgen: Kai Laufen behauptet, "Digitale Verleumdungskampagnen befördern den Sexismus in der Gesellschaft" (hier für die Nachwelt).

Das ist zumindest seine Schlussfolgerung aus der These, immer mehr Frauen würden Opfer von Fake-News.

Als Beispiele führt er an, irgendwer im WWW habe was Falsches über Renate Künast geschrieben. Irgendwer habe im WWW was Falsches über Maria L. geschrieben - das Mädchen, das kürzlich in Freiburg zu Tode kam. Und irgendwer habe im WWW Falsches über Hillary Clinton geschrieben. Da in allen Beispielen Frauen die Opfer seien, sei der "allgemeine Sexismus in unserer Gesellschaft" auch Schuld an diesen Fake-News.

Jeder Informatiker hört im ersten Semester Logik den Satz: Ex falso quodlibet, also, mit einer falschen Prämisse kann man Beliebiges belegen.

Die Prämisse des "allgemeinen Sexismus" zum Beispiel. Abseits von Medien und Volksempfinden bleibt zu konstatieren, dass es nie in der Geschichte faktisch wie rechtlich so wenig Sexismus (gegen Frauen) gegeben hat wie heutzutage.

Nur zwei Beispiele von vielen, in denen Sexismus gegen Männer kürzlich gesetzlich verankert wurde:

  1. Das Bundesgleichstellungsgesetz schreibt vor, bei Bewerbungsgesprächen auf freie Stellen mindestens so viele Männer wie Frauen eingeladen werden, und bevorzugt einzustellen sind, wenn Frauen im Zielbereich unterrepräsentiert sind - egal wieso. Falls Männer unterrepräsentiert sind, dann gilt das (seit 2015) nur, wenn sie es aufgrund "struktureller Benachteiligung" sind, also praktisch nie. (Ach, und darüber wacht eine unbedingt weibliche Gleichstellungsbeauftragte, bei deren Wahl Männer nicht wahlberechtigt sind.)
  2. Der Unisex-Tarif für Altervorsorge in Gesetzlicher Rentenversicherung wie auch bei Lebensversicherungen benachteiligt (seit 2012) Männer, da Frauen Rente länger in Anspruch nehmen als Männer. Weil meine Alterskohortin heute noch 47 Jahre Leben vor sich hat, ich als Mann jedoch nur noch 42. Fünf Jahre, für die niemand daran denkt mich zu entschädigen.

Diese Beispiele sind ebenso repräsentativ gewählt wie die von Kai Laufen, und sie sind geeignet zu zeigen, dass Kai Laufens Prämisse einfach falsch ist. Daraus darf er dann folgern, was er will. Fake News eben.

Für die Interessierten: Sexismus liegt eher nicht vor, wenn die Diskriminierung aufgrund anderer, viel augenfälligerer Gründe stattfindet. Warum bin ich zum Beispiel noch nicht "Opfer" von Fake News geworden - Hillary Clinton, Renate Künast und Maria L. aber schon? Liegt es daran, dass sie im öffentlichen Interesse stehen, ich aber nicht - oder daran, dass ich ein Mann bin und sie Frauen? Eben.

Übrigens war die erste große digitale Beleidigungskampagne in Deutschland gegen einen Mann gerichtet, nicht gegen eine Frau.

Was soll ich zu den anderen Prämissen sagen: Dass Frauen als als Verleumdungsopfer ausgewählt werden, weil ihnen grundsätzlich "Naivität, Blödheit oder Inkompetenz" unterstellt wird?

Ich könnte das z.B. gerade einem Mann unterstellen, der nicht mal eine Prämisse ordentlich prüfen kann, ehe er sie verwendet. Wo ist da das Frauenspezifische?

Dass wir Frauen Naivität, Blödheit oder Inkompetenz vorwerfen, dürfte eher eine postfaktische Behauptung von Kai Laufen sein, denn insbesondere bezüglich Hillary Clinton und Renate Künast würde ich das nie tun. Ich würde diesen Frauen - wie jedem anderen auch, den ich nicht kenne - viel eher bewusstes Handeln aufgrund von Überzeugung und Opportunismus unterstellen.

Damit hätte ich die nächste Prämisse von Kai Laufen widerlegt, ohne diesen Frauen wirklich einen Gefallen getan zu haben.

Schlagwort: Verrückte Normalo-Welt

Bezug herstellen   > Mir etwas anheimstellen (3 Kommentare)